
Andreas Egger, Salzburg
An der Front des Weltexperiments
Grundzüge der Philosophie Ernst Blochs, Teil 2
„Träume von einer besseren Welt“ – deren Reflexionen machen einen bedeutenden Teil von Blochs Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ aus. Wer daher aber ein schwärmerisches Programm erwartet, irrt. Obgleich nicht völlig frei davon, schürft Blochs politische Theorie tiefer. Es geht um eine Theorie des subjektiven Faktors der Geschichte, der Rolle des menschlichen Bewusstseins im Verhältnis von Gegenwart und als Möglichkeit angelegter Zukunft, der für den Theoretiker der konkreten Utopie bedeutendsten Zeitdimension. Im bei Bloch immer präsenten Spannungsfeld von Messianismus und Marxismus angelegt, finden sich in der Hoffnungsphilosophie eine versuchte Aufarbeitung aller Äußerungen menschlicher Kultur, soweit diese in den Dienst des Fortschritts gestellt werden können. Es findet sich weiter eine kategoriale Grundlegung: Antizipierendes Bewusstsein, Tendenz, Latenz, Front, Novum und Ultimum werden in der Folge vorgestellt. Wie der im ersten Teil des Artikels dargelegte Materialismus Blochs eine „ultimative, letzte Materie“ kennt, einen möglichen Endzustand, so gibt es ein entsprechendes „zu guter Letzt“ auch in der Geschichtstheorie.
Die Materie der Hoffnung – Zusammenfassung des ersten Teils 1
Schriftsteller und Philosoph. Bloch als Autor schreibt nicht nur als „strenger Metaphysiker“, es gibt auch schriftstellerische Akzente, Teile seines Werkes können somit nur assoziativ oder intuitiv erfasst werden. Bloch nutzt seine Gabe als Schriftsteller z. B., um die großen Themen der Philosophie in der Sphäre des subjektiven Erlebens der Leserin, des Lesers, spürbar zu machen. Oder aber weil eine exakte philosophische Sprache nicht alle Aspekte einer sich in Fahrt befindenden, noch unfertigen Welt abbilden kann.
Sein und Möglichkeit. Die Welt ist noch nicht fertig: Blochs „Ontologie des Noch-nicht Seins“ betont, dass künftige Zustände der prozesshaft sich entfaltenden Welt in der aktuellen als Möglichkeit angelegt sein müssen. Die Welt, Mensch und Materie, sind daher utopisch. Verwirklichbare Utopien nennt Bloch „konkrete“, sie basieren im Gegensatz zu abstrakten auf diesen objektiv-realen Möglichkeiten.
Marx und Messias. Blochs Werk hat viele Quellen, aber zwei prägende Grundmotive. Eindeutig ist der Marxismus zu identifizieren, zugleich findet sich auch ein religiöser, messianischer, chiliastischer Strang. Bloch war sich dieses Dualismus bewusst und sah darin keinen Widerspruch. Dieser Dualismus widerspiegelt sich auch in einem spürbaren Gegensatz von stets vorwärtstreibender Dialektik und einem zielhaften Verständnis von Erlösung und Vollendung.2
Klotzmaterie und Prozessmaterie. Bloch stellt dem mechanischen Materialismus seine Version des dialektischen gegenüber. Dieser speist sich nicht nur aus der Hegelschen Dialektik, welche im Marxismus auf materialistische Füße gestellt wurde. Bloch bezieht sich auch auf aristotelisches Erbe, wenn er Materie „Schoß der Möglichkeiten“ nennt. Analog zur Gabelung der Hegelschen Lehre spricht Bloch von der „Aristotelischen Linken“, welche in einem Bogen z. B. über den Pantheismus und über Hegels Dialektik den modernen Materialismus ermöglicht habe.
Dialektik und Eschatologie. Bloch kennt die finale, die letzte Materie, welche als vollendete keine Notwendigkeit mehr hat, weitere Möglichkeiten zu haben. Hier scheint der Limes der Dialektik bei Bloch erreicht. Die Ontologie des Noch-nicht-Seins erscheint aus dieser Perspektive als eine des Noch-nicht- Fertig-Seins. Dieses Denkmuster werden wir auch im nun zu behandelnden Kontext wiederfinden.
„… daß die Welt bei unseren Plänen mitmacht“3 – Bloch und der subjektive Faktor
Blochs Geschichtstheorie baut auf zwei Prämissen auf: einerseits, „dass es prinzipiell möglich ist, auf … utopische Zielbestimmung vorzugreifen, und andererseits, dass der kulturelle Überbau zumindest partiell eine Gestaltungsmacht auf die gesellschaftlich-ökonomische Basis ausübt“.4
Bloch teilt mit der marxistischen Klassik das Verständnis von gesellschaftlichen Phänomenen unter dem Basis-Überbau-Paradigma, auch für ihn gilt:
„Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt“.5
Diese Stelle nur isoliert gelesen und verstanden, führt wohl zu der größten Fehlinterpretation oder Verkürzungen marxistischer Gesellschafts- und Geschichtstheorie. Denn auch wenn es so ist, dass die Menschen ihre Geschichte „nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen“,6 machen, so machen sie diese doch selber, es wird keinem kruden Determinismus das Wort geredet. Die Geschichte spielt sich nicht als Automatismus hinter dem Rücken der Menschen ab, das gesellschaftliche Bewusstsein ist kein blinder Reflex. „Die politische, rechtliche, philosophische, literarische Entwicklung etc. beruht auf der ökonomischen. Aber sie alle reagieren aufeinander und auf die ökonomische Basis“.7 Es geht also um Wechselwirkung. Auch wenn „in letzter Instanz“8 die ökonomischen Bedingungen die dominierenden sind, bleibt Raum für den „Subjektiven Faktor“, für jenen Bereich, in dem die Menschen sich der konkreten ökonomischen Entwicklungen aber auch Konflikte bewusst werden und sie ausfechten.9
Zentral ist bei Bloch der historische Prozess an den Begriff der Bedingungen als heranreifende Möglichkeiten gebunden, auch was die Verschränkung des subjektiven mit dem objektiven Faktor betrifft: Nichts „ist zu tun, gar zu verändern, wenn die Umstände nicht danach sind“,10 wenn die Bedingungen noch nicht herangereift sind. Sind sie aber herangereift, dann kann es sein, dass das durch Tun Veränderbare „bei unseren Eingriffen tendenziell mitmacht“.11
Andererseits kann auch bei ausreichender Reife der Bedingungen etwas fehlen: dann gibt es „einen großen Moment und ein kleines Geschlecht, das ihn nicht zu nutzen versteht…“. Nur „wenn Kraft und reife Gelegenheit zusammengehen, ein doppelter Glücksfall, mit paratem Täter und erfüllter Zeit zugleich, hat die Sache historischen Segen“.12 Und so definiert Bloch:
„Der subjektive Faktor ist hierbei die unabgeschlossene Potenz, die Dinge zu wenden, der objektive Faktor ist die unabgeschlossene Potentialität der Wendbarkeit, Veränderbarkeit der Welt im Rahmen ihrer Gesetze, ihrer unter neuen Bedingungen sich aber auch gesetzmäßig variierenden Gesetze. Beide Faktoren sind miteinander stets verflochten, in dialektischer Wechselwirkung“.13
Potenz und Potenzialität sind allerdings nicht die einzigen zentralen Kategorien für Blochs Geschichtsphilosophie.
Front und Novum; Tendenz und Latenz
„Unterwegs jedoch, worin das Sein wie das Seiende prozeßhaft sich befindet, ist das Novum das Perspektivland des Prozesses selber, als welcher sonst in purer Vergangenheit stillstünde … vielmehr: im Novum wird jede Dimension der Geschichte geöffnet und offen gehalten, worin allererst die tätige Hoffnung ihr Feld hat. Ihre Welt ist voll Anlage zu etwas, Tendenz auf etwas, Latenz von etwas“.14 Oder: „Philosophie der begriffenen Hoffnung steht darum per definitionem an der Front des Weltprozesses, das ist, an dem … vordersten Seinsabschnitt der bewegten, utopisch offenen Materie“.15
Die Front – das ist Blochs keinesfalls im streng militärischen Sinn zu verstehende Kategorie für den Zeitpunkt, an dem Geschichte gemacht wird – und der ist jeweils jetzt: „Sie ist der jeweils vorderste Abschnitt der Zeit, wo wir uns lebend und handelnd befinden“.16 Die Front ist der Platz, wo Gelegenheiten genutzt oder verspielt werden, wo so weiter gemacht wird wie bisher, wo aber auch folgendes geschehen mag: In „Wendezeiten“, wenn „es so wie bisher nicht weitergehen kann“, wenn „der nachfolgende Zustand im Sprung stehend, auf der Kippe stehend, entschieden wird oder nicht“.17 Wenn also etwas Neues, „ein Novum“, entsteht.
Die Kategorie Novum bezeichnet qualitative Sprünge, was heißt: nicht alles Zukünftige ist ein Novum. Das Frühjahr 2015 ist keines im Vergleich zum Frühjahr 2014 und bei gewohntem Weltlauf wird das Frühjahr 2016 auch keines sein. Abseits aber von zyklischer Aufeinanderfolge, immer gleicher oder auch variierter Wiederholung: „zum Novum gehört, damit es wirklich eines sei, nicht nur der abstrakte Gegensatz zur mechanischen Wiederholung, sondern selber eine Art spezifischer Wiederholung: nämlich des noch ungewordenen totalen Zielinhalts selber, der in den progressiven Neuheiten der Geschichte gemeint und tendiert, versucht und herausprozessiert wird“.18
Zum Verständnis von Tendenz und Latenz können wir wieder eine bei Bloch oft verwendete Metapher verwenden: Michelangelo als Bildhauer konnte im Marmorblock bereits die fertige Figur ausmachen und sah im Meißel das Werkzeug, um das überflüssige Gestein zu entfernen.19 Hier muss an Blochs Interpretation des aristotelischen Materiebegriffes erinnert werden: Materie als Schoss der Möglichkeiten – genau damit korrespondiert die Bloch’sche Kategorie Latenz. Die Figur ist als spätere Ausformung, als Zukunft, als konkrete Utopie im Marmorblock als objektive Möglichkeit angelegt. Als Tendenzen wären gemäß dieser Metapher die Kreativität des Künstlers und die Werkzeuge zu verstehen, also jene Kräfte, welche die Möglichkeiten aktualisieren und realisieren. Geschichtsphilosophisch: Auch das mögliche utopisch vorweggenommene Ziel muss als objektive Möglichkeit in der Latenz angelegt sein. Das „Gelingen“ oder auch – bei Bloch immer mit gemeint – das „Scheitern“ des Zielinhaltes dann wird über Tendenzen herausprozessiert.
Immer ist bei Bloch aber mitzudenken: Die Triebkräfte des Geschichtsprozesses, objektive Tendenz und subjektiver Gestaltungs- und Veränderungswille, wie auch der Prozess selbst haben ihren Horizont, wenn das Ziel allen Hoffens und Strebens erreicht ist. Es ist auch hier das messianisch-eschatologische Motiv, das Bloch sagen lässt: „So geht allerdings im Novum der Grenzbegriff eines Ultimum“, an dem der Prozess „ein Ende haben muß“.20 Auch wenn gilt:
„Der Prozess verläuft nicht störungsfrei, quasi automatisch von der Quelle bis zum Mündungsziel, sondern er durchläuft und verwirklicht in seinem Gang ein Wegenetz“,21 der final-ultimative Zug in Blochs Denken ist besonders im Begriff Latenz grundgelegt. Es ist damit doch sowohl die Quelle als Möglichkeit der Zielinhalte, das utopisch fundierende der Tendenz, wie auch eben die Mündung, das Noch-Nicht-Sein, die „Wirklichkeit von Morgen“22 gemeint. Alpha und Omega fallen zusammen, oder – wie im „Heimatzitat“ – die wirkliche Genesis ist am Ende.
Noch-nicht Bewusstes und Antizipation
Es darf nicht verwundern, dass Bloch im Rahmen seiner „Ontologie des Noch- nicht Seins“ auch erkenntnistheoretische Kategorien entwickelt hat. Die Kategorie des Noch-nicht habe zwei Dimensionen: „subjektiv als ‚Noch-nicht- Bewußtes‘ und objektiv als ‚Noch nicht Gewordenes‘… Beides sind Repräsentationen von Zukünftigen, also Neuem“.23
Noch-nicht-Bewusstes als Repräsentation von etwas? Noch-nicht-Bewusstes bedeutet bei Bloch keinesfalls Nichtwissen, die erkenntnistheoretische Seite des Noch-Nicht versteht sich in Relation mit der Kategorie Antizipation. Antizipation ist bei Bloch wie bei Marx die nur dem Menschen zukommende Fähigkeit, Erwartungen hinsichtlich künftiger Ereignisse zu haben oder Ziele setzen zu können.
„Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war“ 24.
Das „Prinzip Antizipation“ als nur dem Menschen zukommende Eigenschaft ist verschränkt mit dem Prinzip Hoffnung, einer ebenso genuin menschlichen Eigenschaft,25 welche die motivationale Komponente der Zukunftsbilder ausmacht, beide funktionieren in Einheit: „kalter“ Plan und „warmes“ Hoffen sind zwei Seiten eines Prozesses: „An der bewußt-gewußten Hoffnung ist nie Weiches, sondern ein Wille setzt in ihr: es soll so sein, es muß so werden“.26 Und wiederum den Frontcharakter betonend:
„Das Noch-Nicht-Bewusste insgesamt ist die psychische Repräsentierung des Noch-Nicht-Gewordenen in einer Zeit und ihrer Welt, an der Front der Welt. Das Bewusstmachen des Noch-Nicht-Bewussten, das Gestalten des Noch-Nicht-Gewordenen ist nur in diesem Raum, als einem der konkreten Antizipation“.27
An dieser Stelle mag eine Unklarheit auffallen: Offensichtlich gibt es bei Bloch die Funktion des vorausgreifenden, vorausschauenden antizipierenden Bewusstseins, wie aber kann dieses als kontinuierliches entstehen aus dem immer konkreten Hier und Jetzt an der Front, dem jeweiligen Ort des Noch-nicht-Bewussten, des Dämmernden? Dazu später mehr.
Kältestrom und Wärmestrom
1932, angesichts der drohenden Niederlage der Arbeiterbewegung und der Demokratie gegen den Faschismus, schreibt Bloch: „Und die roten Führer treffen den Ton nicht, der aufhorchen ließe“28. Angesichts der kraftlos und klischeehaft gewordenen roten Losungen sei es so weit gekommen: „die Nazis erlangen Volksgeruch, während die Marxisten ihn, unglaublicherweise, verlieren“.29 Bloch war von der Richtigkeit der marxistischen Analyse der kapitalistischen Gesellschaft und der Notwendigkeit ihrer sozialistischen Überwindung überzeugt. Das drohende Scheitern der Arbeiterbewegung sah er im „subjektiven Faktor“ begründet, in der ungenügenden Vermittlung der Analysen, auch an der „Unterernährung der revolutionären Phantasie“.30 Bloch fasst diese beiden Seiten: einerseits die Analyse, Entlarvung der sozialökonomischen Realitäten, andrerseits die Erfordernis, mit den Resultaten der Analyse, zu überzeugen, zu begeistern, die Massen zu ergreifen, an physikalisch anmutende, keinesfalls aber mechanistisch zu verstehenden Kategorien:
„Wobei die Bedingungsanalyse auf der ganzen geschichtlich situationshaften Strecke ebenso als Entlarvung der Ideologien wie als Entzauberung des metaphysischen Scheins auftritt; gerade das gehört zum nützlichsten Kältestrom des Marxismus. Dadurch wird der marxistische Materialismus nicht nur zur Bedingungswissenschaft, sondern im gleichen Zug zur Kampf- und Oppositionswissenschaft gegen alle ideologischen Hemmungen und Verdeckungen der Bedingungen letzter Instanz, die immer ökonomische sind. Zum Wärmestrom des Marxismus gehören aber die befreiende Intention und materialistisch-humane, human-materialistische Realtendenz, zu deren Ziel all diese Entzauberungen unternommen werden. Von hier der starke Rekurs auf den erniedrigten, geknechteten, verlassenen, verächtlich gemachten Menschen, von hier der Rekurs auf das Proletariat als die Umschlagstelle zur Emanzipation“.31
Kälte und Wärme – das ist bei Bloch keine emotional bewertete Rangordnung der beiden Ströme, es geht ihm um ein ausgewogenes Verhältnis. Ein jeder Strom ist ohne den anderen machtlos und läuft auf jeweils seine Art ins Leere. Ohne Kühlung, so Bloch, drohe „völlig verstiegene, abstraktest-utopische Schwärmerei“.32 Ohne Erwärmung bliebe der Marxismus ein Stückwerk des „Ökonomismus und des zielvergessenen Opportunismus“.33
An seinem zeitgenössischen Marxismus musste, wie oben gezeigt, Bloch ein Übergewicht der kalten zweckrationalen Analyse diagnostizieren. Es ist ein Grundanliegen seines Gesamtwerkes, demgegenüber den Wärmestrom wieder zu stärken. Die „Einreihung des kühnsten Intendierens in die geschehende Welt, die Einheit von Hoffnung und Prozeßkenntnis“34 zu betonen -darin sah er wohl auch seinen Hauptbeitrag zum Marxismus und zur Arbeiterbewegung. In diesem Zusammenhang versteht sich Blochs Versuch, alle Äußerungen menschlicher Kultur auf offene oder verborgene utopische Inhalte zu untersuchen und deren Fortschrittspotential als Kulturerbe der Arbeiterbewegung anzueignen. Bloch untersucht nicht nur die „klassischen“ Utopien, soziale, technische wie auch medizinische. Er durchforstet die Kunst, „große“ wie auch triviale, Architektur, Alchemie. Er sucht das sozialrevolutionäre Potenzial in Religionen, mittelalterlichen Ketzerbewegungen usw. Das Unternehmen ist ausufernd, enzyklopädisch. Was nicht im „Prinzip Hoffnung“, dem diese – sehr erweiterbare – Liste entnommen ist, abgehandelt wurde, wird später nachgereicht, nichts soll fehlen, nicht einmal eine Erörterung der Entwicklung einerseits der ästhetischen, andrerseits der technisch-funktionalen Dimensionen Beleuchtungskörpern.35
Nahziel und Fernziel, Leviten
„Erst Kälte und Wärme konkreter Antizipation zusammen also bewirken, daß weder Weg an sich noch Ziel an sich undialektisch voneinander abgehalten und so verdinglicht-isoliert werden“.36
Das Verhältnis von Nah- und Fernziel, von der unmittelbaren politischen Handlung und der längerfristigen Orientierung hin auf die gewünschte solidarische, klassenlose Gesellschaft in der Fassung Blochs ist ein Beispiel für seinen Versuch der Aktivierung des Wärmestroms.
Bloch, in diesem Zusammenhang ein explizit politischer Philosoph, reflektierte bis ins Spätwerk, auch noch in seinem letzten Buch „Experimentum Mundi“, über Kategorien wie Weg und Ziel, Reform und Revolution. Letzterer war er treu geblieben und der geschichtliche Fortschritt führte für ihn in den Sozialismus und war somit „an die ausreichenden Bedingungen des Sieges der Arbeiterklasse“37 gebunden.
Wir kennen ja das Ziel allen geschichtlichen Fortschritts, allen politischen Handelns, bei Bloch: Heimat, die nichtentfremdete, solidarische Gesellschaft. Diese Perspektive ist das ultimative Fernziel, die unmittelbare politische Perspektive aber richtet sich auf Nahziele, die aber mit dem Fernziel vermittelt sein müssen. Die Heimat muss in den Nahzielen „vorscheinen“, damit diese als Mittel zum großen Zweck taugen.
Diese Dialektik von Nah- und Fernzielen, von Mittel und Zweck, dient Bloch als Raster, den Strömungen der politischen Linken die Leviten zu lesen. Wenn der Zweck auch fragwürdige Mittel heiligen könne, so gilt auch umgekehrt: auch in gutem Glauben gesetzte „verwerfliche Mittel entheiligen den Zweck“.38 Und so ergeht die Kritik an die Sowjetunion: „es kam statt des gemeinten Reichs der Freiheit weithin perfekte Staatsbürokratie heraus“. Der Zweck sei „abgeschoben, sei es auf ein Nebengleis, sei es auf eine allzu lange Bank“.39
Dann wendet sich Bloch – mitten im „sozialdemokratischen Jahrzehnt“, als der Begriff Reform noch nicht die heute übliche Bedeutung einer Androhung von Sozialabbau hatte – dem Reformismus zu: dieser „verleugnet, ja verrät mit seinen bewusst kurzsichtigen Zwecken das in den Nahzielen implizierte Fernziel“.40 Der Reformismus ermatte die Tendenzen der Fortschritts, der Anarchismus – die dritte Adresse – überspringe sie: „Der anarchistische Putsch lässt die Nahziele aus, überfliegt sie mit dem Dilettantismus der Ungeduld schlechthin“.41
In Blochs Betonung der Vermittlung von Nah- und Fernzielen liegt auch die Botschaft, dass die erhoffte bessere Welt nicht erst im endlich erreichten Fernziel zum Tragen komme: keinesfalls dürfen „Generationen verheizt, aufgeopfert werden, um eine künftige Harmonie zu düngen“.42 Der Ort für Verbesserungen, die in bestimmten historischen Situationen auch eine Abwehr von Bedrohungen sein kann, ist jetzt – das erhoffte und antizipierte Ziel muss auch in den konkreten Schritten präsent sein.
Der Vorrang der Zukunft und das Rätsel des Nahe-Dunkels
Es ist plausibel, dass die Zukunft jene Zeitdimension ist, welche dem Denker der konkreten Utopie am Wichtigsten ist. „In die Vergangenheit kann nicht geschossen werden“.43 Das „Später ist ganz objektiv dieses, worauf unser Tun und Lassen noch von Einfluß sein kann, das Früher ganz objektiv dieses, was hinter uns liegt, was überwiegend nur wißbar, nicht veränderbar ist“.44
Zuvor aber zu etwas Rätselhaftem. Schon im Erstlingswerk führt Bloch „das uns so nahe Dunkel des gelebten Augenblicks“ ein, welches „immer noch das Anfangsrätsel, das Weltdaseinsrätsel in größter Stärke enthält“.45 „Nahe und Dunkel“ ist auch in Blochs letztem Werk, mehr als ein halbes Jahrhundert danach, ein Kapitel überschrieben, in dem auch von jenem „gerade gelebten doch nicht erlebten“ Augenblick, dem „Nebel ums Jetzt und Hier“,46 die Rede ist. Es handelt sich um eine echte Konstante in Blochs Philosophie. Bloch selbst nennt dieses Nahe-Dunkel zwar nicht den Hauptpunkt, wohl aber den Ausgangspunkt seiner Philosophie.47
Es gehe um „das Unmittelbare, das sich selbst nicht sichtig wird, noch nicht gegenständlich ist“,48 oder aber: „Was sehr nahe ist, was unmittelbar vor meinem Auge aufragt, kann ich nicht sehen. Es muß ein Abstand da sein, dann erst kann es gegenständlich sein“.49 Dem Unmittelbaren im Hier und Jetzt Gelebten fehle „der Abstand, der zum Bewusstwerden notwendig ist“.50
Dies legt uns zunächst einmal nahe, beim Konzept des Nahe-Dunkels gehe es um die Analyse der Augenblickserfahrung, somit einem Dunkel, das sich in jedem Hier-und-Jetzt, in jedem Augenblick immer wieder reproduzieren muss. Wie es denn aus einer stetigen Abfolge von unmittelbaren, unvermittelten Augenblicken zu einem von Bloch ja angenommenen „Bewusstwerden“ – Denken, Erinnern, Antizipieren – kommen könnte, ist vor diesem Hintergrund schwer zu argumentieren. Blochs Verweis auf die historische Figur des Kaspar Hauser scheint dies auch auf den ersten Blick zu bestätigen:
„‚Wir sind Subjekte ohne Namen, Kaspar-Hauser-Naturen, die mit unbekannter Ordre fahren und sie noch immer nicht erbrochen haben‘. Der Mensch also wird hier verstanden und angezeigt als etwas, das sich selber noch unmittelbar, grundhaft verdunkelt ist, ja noch gar nicht gegenwärtig ist“.51
Doch den Bemerkungen über den „geschichtslosen“ Kaspar Hauser folgt sogleich: „… ja noch gar nicht gegenwärtig ist, und eben deshalb Geschichte hat“. Man muss die Metapher des Nahe-Dunkels mit einer anderen denken, welche in ähnlicher Weise immer wieder als Leitmotiv bei Bloch fungiert: „Ich bin. Aber ich habe mich noch nicht. Darum werden wir erst. Das Bin ist innen. Alles Innen ist an sich dunkel“.52 So gesehen wird aus dem elementaren, dunklen „Ich bin“ der Ausgangspunkt für ein Werden, das „noch-nicht-haben“ berührt den Kern der Bloch’schen Dialektik, den transitiven Charakter des Seins als Übergang vom „Noch-Nicht“ zum „Etwas“.
Doch es geht noch weiter: das den subjektiven Teil betreffende Konzept des Nahe-Dunkles hat bei Bloch eine kosmologische Parallele:
„Daher ist der radikale Weltanfang, statt mythologisch in einem Schöpfergott oder auch prä-prähistorisch in einem Gasball zu liegen und damit abgetan, gewesen zu sein, dauernd so nahe, dauernd das Erzaktuelle, Erzimmanente selber. Dieser Anfang ist am wenigsten vergangen, sondern das im Jetzt, aus dem Jetzt vorwärtsstürzende Zukünftige“.53
Explizit den Zusammenhang des subjektiven und kosmologischen Anfangs- Dunkels betonend, findet sich bei Bloch: „Jeder gelebte Augenblick wäre … Zeuge des Weltanfangs, … jeder Augenblick ist, als unhervorgetretener, im Jahr Null des Weltanfangs“.54
An dieser Stelle, am Nahe-Dunkel Rätsel und an der These des permanenten Weltanfangs, wird nachvollziehbar, dass Detlef Forster in seiner durchwegs wohlmeinenden Einführung in Blochs Denken meint, dieser bewege sich mit seinen Antworten thematisch auch „an der Grenze des Wahnsinns“. Das ist nicht despektierlich, sondern durchaus wertschätzend gemeint! Forster vergleicht hier Bloch mit Hegel, beide hätten Problemhorizonte entworfen, wofür es einen eingeführten, brauchbaren Sprachduktus noch nicht gab.55 Das ist wohl begründbar und gerade deshalb sind auch viele von Blochs Metaphern aufschließend und inspirierend; auch wenn ich behaupte, dass das „Dunkel des gelebten Augenblicks“ als Metapher wenig hilfreich ist und mehr – ja! – verdunkelt. Auch wenn hier metaphorisch der Einsatzpunkt des dialektischen Antriebes gemeint ist, es bleibt in der Philosophie Blochs ungeklärt, warum dies ein immer wieder elementarer Anfang, ein Jahr Null, sein muss.
Es kann dieses Modell, das einer Serie von punktuellen Urknallen gleichkommt, in einer materialistischen Position, und eine solche ist von Bloch ja intendiert, nicht konsequent durchgehalten werden, weder erkenntnistheoretisch, kosmologisch noch – wie jetzt zu zeigen – geschichtsphilosophisch. Parallel zum und vorbei am jeweiligen Jahr Null des Weltanfanges, finden sich in Blochs Geschichtsphilosophie Thesen, welche diesen Vorrang der Diskontinuität nicht kennen. Selbstverständlich gibt es für Bloch Tradition, Kontinuität auch in der Geschichte. Am Beispiel Thomas Münzer:
„So blicken wir auch hier keineswegs zurück. Sondern uns selber mischen wir lebendig ein. Und auch die anderen kehren darin verwandelt wieder, die Toten kommen wieder, ihr Tun will mit uns nochmals werden. … Münzer vor allem ist Geschichte im fruchtbaren Sinn; er und das seine und alles Vergangene, das sich lohnt, aufgeschrieben zu werden, ist dazu da uns zu verpflichten, zu begeistern, das in uns stetig Gemeinte immer breiter zu stützen“.56
Geschichte ist für Bloch keineswegs nur eine Abfolge von Episoden. Zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestehen Sinn- und Deutungszusammenhänge, ja auch zur Handlung treibende Aufträge. Vergangenes wirkt fort, Zukünftiges scheint vor. Die Niederlage in den Bauernkriegen, Münzers gescheiterte Revolution, hat für Bloch etwas weiter Wirkendes, noch Unerfülltes, er spricht daher von der „noch unabgegoltenen Zukunft in der Vergangenheit“,57 die immer auch einen Auftrag für Gegenwart und Zukunft mit sich trägt. Oft zitiert Bloch aus einem Lied, gesungen nach der verlorenen Schlacht von Frankenhausen: „Geschlagen ziehen wir nach Haus. Unsere Enkel fechten’s besser aus“.58
Das Haus der Erde
In Blochs Aufarbeitung des Kulturerbes hat die Ästhetik einen ganz prominenten Platz. Kunst ist ihm auch ein Beispiel, wie antizipierendes Bewusstsein funktioniert, wie Zukunft, wie Utopie mit uns spricht, zum Vor-Schein kommt.
„Kunst ist ein Laboratorium und ebenso ein Fest ausgeführter Möglichkeiten, mitsamt den durcherfahrenen Alternativen darin, wobei die Ausführung wie das Resultat in der Weise des fundierten Scheins geschehen, nämlich des welthaftvollendeten Vor-Scheins. In großer Kunst sind Übersteigerung wie Ausfabelung am sichtbarsten aufgetragen auf tendenzielle Konsequenz und konkrete Utopie. Ob allerdings der Ruf nach Vollendung … auch nur einigermaßen praktisch wird und nicht bloß im ästhetischen Vor-Schein bleibt, darüber wird nicht in der Poesie entschieden, sondern in der Gesellschaft“.59
Blochs Streifzug durch die Kulturgeschichte erscheint gewaltig und ausufernd, auch wenn Bloch immer wieder thematisch zu besonders geschätzten Werken zurückkehrt.60 Hier soll aber ein bei Bloch nicht notiertes Kunststück als Beispiel dienen, welches mir vor allem aus zwei Gründen als passend erscheint. Erstens stammt es von einem Zeitgenossen Blochs: Woody Guthrie61 ist vor allem als Sänger und Liedermacher bekannt, ikonisch und stilbildend für sozial engagierte Folkmusik bis heute. Guthrie war aber auch Autor. Noch zu seinen Lebzeiten erschien seine Autobiographie,62 vor kurzem ein nachgelassener Roman, um den es hier geht.63 Das wäre der zweite Grund, denn das Buch hat etwas zum Thema, was uns an den Begriff Heimat denken lässt. Guthrie stammte aus Oklahoma und kannte die in diesem Staat typische extreme Witterung, die Sandstürme, die auch im Buch angesprochen werden. Er kannte das Milieu der verarmten landlosen Pächter, die wie der Protagonist des Romans, Tike Hamlin, in Bretterbuden auf gemietetem Land lebten. Und in einer dieser Bretterbuden, in dem „Verschlag hier, keine zwei Spucketropfen von meinem Baby wert“,64 findet folgende Szene statt. Hamlin also, gerade Vater geworden, spricht mit Blanche, die als Geburtshelferin assistiert hatte, über eine bessere Welt mit besseren Häusern: Häuser aus Erde, gemeint sind Häuser aus gebrannten Lehmziegeln. Und jene Blanche greift das Thema auf:
„Weil das Erdhaus so stark ist, dass es noch in zweihundert Jahren stehen wird. Weil es fünfzig Zentimeter dicke Mauern hat. Weil es im Winter warm ist und im Sommer kühl. Weil es keine Nickel frisst und keine Dollars trinkt und weil es nicht gestrichen werden muss und weil Sie sich nicht Herz und Seele aus dem Leib ackern müssen und nicht jeden Penny in die Stadt tragen und Mister Woodridge auf den Schreibtisch legen müssen. Deswegen. Genau deswegen. Weil Ihr Haus sechs Zimmer haben könnte statt dieses einen Quadratmeters voller Krankheit. Weil Sie das Erdhaus in ein, zwei Jahren abbezahlen könnten und weil es Ihnen gehören würde, weil es nicht denen gehören würde“.65
Dies als ein Beispiel aus dem „Laboratorium der Zukunft“, an dem sich meines Erachtens der von Bloch gemeinte ästhetische „Vorschein“ gut demonstrieren lässt. Das Erdhaus als Nahziel, in dem sich die latent angelegte Zukunft als konkrete Utopie: „Heimat“ (Bloch), „This Land is Your Land“ (Guthrie) spiegelt. Guthrie, der dies alles natürlich bewusst setzt, möchte mit seiner Kunst Partei ergreifen, den „Fahrplan einer fälligen Tendenz“66 schreiben. Und dazu lese ich ein Beispiel für eine der wenigen plausiblen Deutungen des oben erwähnten „Nahe-Dunkels“, die mir einfallen wollen: Es ist kein sich stets atom-haft wiederholendes „Dunkel des gelebten Augenblickes“, sondern ein viel seltener eintretendes Ereignis. Ein „Novum“ (hier die Geburt des Kindes), wird den Protagonisten zum Anlass, ihre Situation neu zu reflektieren, utopisch Perspektiven zu entwerfen, die Welt theoretisch-praktisch neu zu interpretieren und verändern zu wollen.
Zu Guter Letzt! Das Ende der Geschichte?
„Wir leben nicht nur in einer unfertigen Welt; auch die Philosophie, die diese Welt spiegelt, bleibt unfertig wie sie. Was über das Getane und Gedachte hinausführt, das Novum, ist immer mit dem Vergangenen vermittelt auf noch Nicht-Existierendes hinzielend. Wir sind Gestalten des Übergangs“.67 Es „muss zu jeder Zeit in den Hervorbringungen menschlichen Bewusstseins einen Vorgriff auf einen alle Geschichte übergreifenden, in der Zukunft als Möglichkeitsraum angesiedelten Vollkommenheitsgrad oder -zustand liegen, dessen utopischer Horizont immer wieder aktiviert und ausgestaltet werden kann. Jede Wirklichkeit lässt sich als Modell einer Bewegung auf ein Perfectum, auf ein Vollkommenes hin darstellen“. 68
Hans Heinz Holz, in vielerlei Hinsicht ein Schüler Blochs, will uns mit dieser seiner Interpretation nahelegen, bei Bloch sei eine „unendliche iterierbare Reihe von Zukunftsrealisationen“69 angelegt. Natürlich, möchte man Holz zustimmen, Bloch ist Dialektiker, er kann nicht meinen, dass die Bewegung ins Perfektum in der Vollendung zum Stillstand kommen könnte. Und in der Tat gibt es bei Bloch Stellen, welche diese „iterative Deutungsart“ nahelegen. An eine Stelle im Heimat-Zitat sei erinnert: Der Mensch lebt noch überall in seiner Vorgeschichte. Wir dürfen interpretieren, dass mit dem Bloch’schen Ultimum Heimat jener Umschlagpunkt beschrieben ist, an dem dann die „eigentliche“ Geschichte beginnen kann. Eine ähnliche Deutung ist plausibel, wenn Bloch in der so oft verwendeten Metapher des Wanderns spricht, „über das Erlangte zu dessen möglichem Nochbessersein“ weiterzuziehen. „Ein neuer Gipfel erscheint hinter dem bisher erreichten“.70 Auch das oben dargestellte Verhältnis von Nahziel und Fernziel erlaubt eine iterative Deutung, dass sich etwa das Fernziel von jedem erreichten Niveau neu definiert, immer weiter anreichert. Jedoch: einmal ist der höchste Gipfel erreicht und kein neuer Gipfel erscheint; und es gibt bei Bloch noch eine dritte „Ziel-Kategorie“; das Endziel,71 in das die Dialektik von Nah- und Fernziel mündet.
Selbstverständlich weiß auch Holz, dass die „iterative Deutungsart“ bei Bloch nicht die einzig mögliche ist. sondern dass es auch eine „finale Deutungsart“ gibt. Auch nachdem er, Holz, betont hat, Bloch meine als Endzustand nicht ein paradiesisches, widerspruchsloses Nirwana, hält er fest: „Das utopische Denken stößt an seine Grenze, wenn es seinen Gegenstand als verwirklichten ausmachen soll“.72
Und gerade diese Grenzen sind bei Bloch besonders plastisch, immer wieder lassen seine Formulierungen in dieser Hinsicht keinen Interpretationsspielraum. Im ersten Teil wurde bereits Blochs Annahme der „materia ultima“ erwähnt,73 an welcher der von Bloch immer wieder betonte Prozesscharakter der Welt zu seinem Ende kommt. Diese letzte Materie hat keine Notwendigkeit mehr sich über Möglichkeiten weiter zu entwickeln. Exakt dieselbe Denkfigur findet sich auch in Blochs Theorie des subjektiven Faktors und des utopischen Bewusstseins. Dann – am Endziel – soll „statt der Utopie Gegenwart sein“; es „soll zu guter Letzt, wenn keine Utopie mehr nötig ist, Sein wie Utopie sein“.74 Ergänzend darf hier auch erwähnt werden, dass auch das so rätselhafte „Dunkel des gelebten Augenblicks“ sein Finale findet, wenn es keine Notwendigkeit mehr gibt, sich aus dem Dunkel herauszuheben. Am Ziel, „wenn das Subjekt nicht mehr mit dem Objekt behaftet ist, wie mit einem fremden“,75 dann darf „‚Verweile doch, du bist so schön‘, zum Augenblick gesagt“76 werden, dann ist dieser Augenblick ein erfüllter. Es gibt auch hier den „Anhalt“, statt der „immer wieder vorüberfliegenden Augenblicke oder bloßen Schmeckpunkte“.77 Das Weltexperiment will keine endloses sein, der Grund der Welt will „statt endlosem Prozeß einzig knappes Resultat“.78
Ein „Ultimum“ aber ist „letztlich mit dem Anspruch auf Offenheit nicht widerspruchsfrei versöhnbar“79 – dieses Grundproblem am Finalitätshorizont ist in der Philosophie Blochs nicht lösbar, resultiert es doch aus der letztlichen Unvereinbarkeit, eine Prozesswelt sowohl dialektisch wie eschatologisch zu denken.
Bloch heute?
Am Konzept des „Wärmestroms“ wurde gezeigt: Bloch verstand sein Werk als Beitrag zum Marxismus. An dieser Stelle darf die einst viel diskutierte Frage gestreift werden, ob Bloch überhaupt Marxist war.80 Zwei Positionen zur Verdeutlichung der ganzen Spannweite seien hier erwähnt. Detlef Horster sieht in Blochs Subjekt-Objekt-Dialektik, deren Finale der zu sich gekommene Mensch in seiner für ihn gelungenen Welt wäre, eine Übereinstimmung von Marx und Bloch „im Kern“.81 In einem in der DDR erschienen Philosophenlexikon sieht man in Blochs Werk „progressiv-bürgerliche als auch mystisch reaktionäre“ Anschauungen, “jedenfalls sei dieses „zu allen Zeiten mit dem historischen und dialektischen Materialismus“ unvereinbar.82 Immerhin aber habe der zwischen allen Lagern und Fronten stehende Bloch in der BRD eine progressive politische Rolle gespielt.83
Dass über diese Frage früher ebenso häufig wie kontrovers diskutiert wurde, erklärt sich natürlich aus den ideologischen Frontstellungen des Kalten Krieges, auch aus der Gegenüberstellung von „westlichem“ Marxismus zum „östlichen“ Marxismus-Leninismus. Die Wogen mussten an Bloch, dem einst in der DDR hoch dekorierten,84 später in Ungnade gefallenen und schließlich in die BRD emigrierten Philosophen, hochschlagen. Heute kann diese Frage nüchtern diskutiert werden. Schon vor einiger Zeit allerdings schrieb Andreas Arndt:
„Blochs Philosophie akzentuiert Marx nicht nur ungewohnt, sie greift so weit über ihn hinaus und zurück auf Metaphysik, daß nicht mehr die Frage nach der Adäquatheit der Interpretation, sondern nach der prinzipiellen Vereinbarkeit gestellt werden muß. Zweifel daran sind oft genug vorgebracht worden, sind jedoch kein Einwand gegen das Bloch’sche Anliegen selbst. Eine fällige Entmystifizierug des Bloch’schen Systems ist nicht zu leisten, indem man einen pauschalen Ideologieverdacht an es heranträgt und es als bürgerlichen Humanismus, Teleologie und verkappte Theologie denunziert. Zuvor wäre nämlich zu fragen, ob Bloch sich nicht auf Problematiken bezieht, die im Marxismus selbst noch entdeckt werden müssen“.85
Zu bedenken wäre auch, ob denn ein kluger Nicht-Marxismus einem klugen Marxismus nicht näherstünde als ein dummer, epigonaler, dogmatischer. Jedoch ob und in welchem Grad Bloch nun Marxist war oder nicht, verleiht oder verweigert seiner Philosophie kein Gütesiegel. Diese verdient es, an ihrem selbstgesetzten Anspruch der Weltinterpretation und Weltveränderung gemessen zu werden. Ganz in diesem Sinn meint Jan Rehmann in seinem Beitrag im Bloch-Lexikon: „Die politische Bedeutung des Bloch’schen Antizipationsbegriffes ist auch im 21. Jahrhundert nicht abgegolten“86 und verweist auf den Slogan der Weltsozialforen: „Eine andere Welt ist möglich!“ Eine Losung, die von Bloch stammen könnte.
Dass die Welt ökonomisch, sozial und ökologisch in einen krisenhaften Zustand sich befindet, dass einen andere Welt nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist, darüber sind sich viele einig. Die Potenz der Veränderung, der subjektive Faktor, hinkt den Möglichkeiten wohl nach. Folgende Formulierung Blochs aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts liest sich heute fast als Wunschdenken: „Zeiten wie die heutige, in denen Geschichte, vielleicht für Jahrhunderte, auf der Waage steht, haben das Gefühl fürs Novum extrem, sie spüren, was Zukunft ist, mit angehaltenem Atem, mit befördernder Arbeit am Heraufziehenden, heraufziehend Möglichen“.87
Die Frage ist erlaubt, ob ein großer, wenn auch problematischer Moment ein „zu kleines Geschlecht“ finden könnte. Am Ende daher drei zugegeben noch sehr skizzenhafte Überlegungen, was wir von Blochs Philosophie am aktuellen Frontabschnitt des Weltexperiments lernen können und wo wir über ihn hinausgehen müssen.
I Eine Philosophie mit Gebrauchswert schaffen
„Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns?“.88
Mit diesen Worten lässt Bloch sein Hauptwerk beginnen, das damit angerissene Programm darf wohl nicht gerade bescheiden genannt werden. Wer nun sagt, Bloch habe auf diese Fragen keine verbindlichen Antworten gegeben, liegt nicht falsch. Das war auch nicht sein Anspruch, konnte es nicht sein, denn eine prozesshafte, unfertige Welt kann nur ebenso prozesshafte und unfertige philosophisch Fragen und Antworten stellen und geben. Bloch wollte auch, so seine Bemerkung seine „Tübinger Einleitung in die Philosophie“, sei auch eine „Einübung“,89 die Menschen auffordern, nicht nachzubeten, sondern selber Philosophie zu treiben.
Diesen pädagogischen Aspekt halte ich für überaus wertvoll. Dazu gehört: Auch wenn seine Sprachgewalt oft in Sprachverliebtheit überborden mochte, seine Doppelbegabung als Philosoph und Schriftsteller befähigte ihn, aufschließende Metaphern wie diese zu formulieren: „Aufrechter Gang, er zeichnet vor den Tieren aus, und man hat ihn noch nicht“90. Denn die biologische Voraussetzung der Menschwerdung ist erst die „Anlage zur vollen Ungebeugtheit, also zum Reich der Freiheit“.91
Eine für die Weltinterpretation und Veränderung, aber auch für die subjektive Sinnsuche geeignete Philosophie wird wohl auf Blochs Kategorien, die Dialektik von Möglichkeit und Wirklichkeit, Tendenz, Potenz und Potentialität, Nah- und Fernziel, sein unersättliches Bemühen, im Sinne seiner Aufarbeitung des Kulturerbes den Wärmestrom zu stärken und damit die relative Selbständigkeit und Wirkungsmächtigkeit des Überbaus zu betonen, seine Betonung des Frontcharakters der jeweils aktuellen Welt usw., in der einen oder anderen Form zurückgreifen müssen. Und diese Philosophie, auch hier ist von diesbezüglich gelungenen Stellen bei Bloch zu lernen, will als eine mit Gebrauchswert ihre keineswegs trivialen Themen populär vermittelt haben.
II Bloch mit Gramsci denken.
Dass sich Blochs Denken mit dem des italienischen Marxisten Antonio Gramscis berührt, ist schon oft notiert worden. Blochs „kulturrevolutionäre Intentionen einer Aneignung und Verwandlung des bestehenden kulturellen Inventars … entsprechen … in vielerlei Hinsicht dem Modell des ideologischen Klassenkampfes, das bei Gramsci vorzufinden ist“.92
Gramsci unterscheidet zwischen „harter“ staatlicher und ökonomischer Herrschaft und geistiger, intellektueller, moralischer Führung: „Hegemonie“. Diese meint „politische Führung auf konsensualer Grundlage“93, sie ist somit der „harten Herrschaft“ vorgelagert und kann diese stabil absichern. Sie wird errungen, verteidigt, aber auch verloren im Rahmen der „Zivilgesellschaft“, also im nichtstaatlichen Sektor, in den „Institutionen und Organisationen“, welche „die sozialen und kulturellen Beziehungen und Aktivitäten der Menschen, den geistigen, ideologischen, religiösen Überbau der Gesellschaft“,94 ausmachen. Wie Bloch betont Gramsci die relative Eigenständigkeit des Überbaus, und wie Bloch betont er die Wirkungsmächtigkeit auf die ökonomisch-gesellschaftliche Basis, besonders in revolutionären Situationen, wenn die herrschenden Klassen die Hegemonie verloren haben.
Bloch kannte die Kraft von negativen, irregeleiteten Utopien, wusste etwa genau, dass seine Kategorie Heimat im „Blut und Boden“-Mythos der Nationalsozialisten ein ideologisch wirksames reaktionäres Gegenstück hatte.95 Gemessen daran blieb Blochs Vorstellung des Kulturkampfes ums Erbe erstaunlich optimistisch und schwärmerisch. Die Hoffnung auf Heimat, auf das „Gelingen“ ist ein allgemein-menschliches Prinzip: „Das Alles im identifizierenden Sinne ist das Überhaupt dessen, was die Menschen im Grunde wollen“.96 Hat die Arbeiterbewegung, die Linke, nur alle Positionen für sich besetzt und ideologisch integriert, dann bleibt dem Gegner kein Platz mehr.97 Gramsci dagegen repräsentierte wohl ein wenig mehr den Kältestrom: Konkrete Analyse der konkreten Situation, Partei- und Organisationsfragen, Strategie und Taktik. Ein gemeinsames Durchdenken der Lehren beider Denker liegt nahe. Eine Erdung der geschichtsphilosophischen Kategorien und eine Blick für Wesentliches und weniger Wesentliches in der Aneignung des Kulturerbes könnten sich für eine aktuelle Interpretation Bloch’schen Denkens ergeben.
III Kein Ende der Geschichte! Der Prozess ist iterativ, nicht final!
Eine Landkarte, auf der Utopia nicht verzeichnet ist, sei keines Blickes wert, da sie das einzige Land auslasse, in dem die Menschheit immer landet. Diese schon im ersten Teil zitierte98 vielleicht kürzeste Skizze Bloch’schen Denkens stammt von Oscar Wilde, geschrieben Jahrzehnte vor Blochs schriftstellerischem Schaffen. Bertrand Russel spielt auf dieselbe zum Archetyp gewordene fiktive Insel an, welche Thomas Morus Anfang des 16. Jahrhunderts als idealen Staat geschildert hatte: „Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß das Leben in Morus’ Utopia wie in den meisten anderen Utopien unerträglich langweilig sein würde“.99
Blochs ultimative Utopie, Heimat, kann nicht gänzlich von diesem Verdacht freigesprochen werden, denn: Die dialektischen Gesetze, die zum Einzug und zur Überwindung zur Entfremdung geführt haben, verlieren ihre Gültigkeit. Der Prozesscharakter der Welt ist an diesem Horizont zu Ende, ebenso die Ontologie des Noch-nicht-(Fertig)-Seins.
So hilfreich Blochs Hinweis auf die Dialektik von Nah- und Fernzielen ist, am ultimativen Fernziel ist und macht die Philosophie Blochs ratlos. Es gibt kein Ende der Geschichte am fernen Horizont, solange der Planet uns dazu die Gelegenheit gibt (und wir ihm die Möglichkeit lassen, dies zu tun), wird es das „zu Guter-Letzt“ nicht geben.
Daher noch einmal das Wort an Oscar Wilde! Es ist nicht nur so, dass er, ohne ihn kennen zu können, den Kern Bloch’schen Denkens umrissen hat, es ist auch so, als hätte er dessen größtes Problem schon gekannt und – im Wortsinn – umschifft: die am Ultimum kenntlich werdende Unvereinbarkeit von Dialektik und Eschaton. Dialektisch jedoch ist Utopia nie endgültige Heimat, jede Ankunft auf der Insel ist auch immer wieder die Basis für einen neuen Auszug.
“And when Humanity lands there, it looks out, and, seeing a better country, sets sail. Progress is the realisation of Utopias”.100
Endnoten
1 Egger. Die Materie der Hoffnung.
2 Im „Heimatzitat“, der als ein Kristallisationspunkt seines Denkens mit Recht wohl bekanntesten Bloch-Stelle, kommt dies gut zur Geltung, darum hier noch einmal: Da der sich über Arbeit selbst erzeugende Mensch, hier die aus diesem Verständnis neu interpretierte Genesis: „Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“ (Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 1628).
3 Bloch. Experimentum Mundi. 139.
4 Kessler. Vom Wärmestrom des Marxismus.164.
5 Marx. Das Kapital Bd. 1. 193.
6 Marx. Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 115.
7 Engels, Friedrich: Brief an W. Borgius. 206. Bei Bloch selber finden sich oft diese Wechselwirkung betonenen Formulierungen wie: „ebenso wird die materielle Basis in jeder Gesellschaft vom Bewußtseins-Überbau wieder aktiviert“ (Das Prinzip Hoffnung. 301).
8 Engels, Friedrich: Brief an W. Borgius. 206.
9 Vgl. Marx. Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie. 8 f.
10 Bloch. Experimentum Mundi 139.
11 ebenda
12 Bloch. Das Prinzip Hoffnung, 1112 f. Bloch nennt als Beispiel die „Folgenlosigkeit des 9. November 1918 in Deutschland“. Ebenda 267.
13 Bloch. Das Prinzip Hoffnung.286.
14 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosophie. 229 f.
15 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 230.
16 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosophie.227.
17 Ebenda 228.
18 Bloch. Das Prinzip Hoffnung 233. Bloch denkt hier natürlich an Revolutionen, soziale wie auch wissenschaftlich-technische oder auch kulturelle. Novum wird bei Bloch aber durchaus auch weiter interpretiert. Bloch, jetzt wieder in seiner messianischen Motivationslinie, erinnert an das Grundwunder der Apokalypse und verweist auf dessen Vorboten: “Wunder als Sprengung des gewohnten Status erlangt bei Jesus daher den radikalsten Ausdruck; denn es ist um das Novum selbst vermehrt, es will allemal schon neuer Himmel, neue Erde im Kleinen sein“ (ebenda 1544).
19 Z. B. Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 1375.
20 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosphie. 229.
21 Schlemm. Stichwort Prozess. 443.
22 Bloch. Experimentum Mundi. 148. Latenz ist „die Mündung, die den Lauf der Geschichte ebenso voraussetzt wie anzieht“. (ebenda).
23 Bloch. Tendenz-Latenz-Utopie. 341.
24 Marx. Das Kapital Bd. 1, 193.
25 „Hoffnung … ist die menschlichste aller Gemütsbewegungen und nur dem Menschen zugänglich.“ (Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 83).
26 Ebenda. 167.
27 Ebenda. 143.
28 Bloch. Politische Messungen, Pestzeit, Vormärz. 87.
29 Ebenda, 88.
30 Bloch. Das Prinzip Hoffnung.726.
31 Ebenda. 240 f.
32 Ebenda. 240.
33 Ebenda.
34 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 726f.
35 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosophie. 121.
36 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 240.
37 Bloch. Experimentum Mundi 256. Der von Bloch intendierte Sozialismus folgte dem Motto der Rosa Luxemburg: „Keine Demokratie ohne Sozialismus. Kein Sozialismus ohne Demokratie.“ (Politische Messungen, Pestzeit, Vormärz. 394).
38 Bloch. Experimentum Mundi. 118.
39 Ebenda.119.
40 Ebenda.122. Das Buch erschien 1975.
41 Ebenda 122.
42 Bloch. Politische Messungen, Pestzeit, Vormärz. 394.
43 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosophie. 278
44 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosophie. 278.
45 Bloch. Geist der Utopie. 386.
46 Bloch. Experimentum Mundi. 15.
47 Bloch. Tendenz-Latenz-Utopie. 340.
48 Ebenda.
49 Ebenda.
50 Bloch. Philosophische Aufsätze zur objektiven Phantasie. 74.
51 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosophie. 217
52 Ebenda. 13.
53 Ebenda. 275.
54 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 359.
55 Horster. Bloch zur Einführung. 15. Horster berichtet an derselben Stelle auch, dass Bloch und der mit ihm seit Jugendzeit befreundete Lukács dasselbe Kompliment der Hegel’schen Philosophie machten.
56 Bloch. Thomas Münzer. 9.
57 Bloch. Das Prinzip Hoffnung.
58 Bloch. Tendenz-Latenz-Utopie. 396.
59 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 249.
60 Oft wird die Oper Fidelio im Zusammenhang mit der Französischen Revolution von 1789 erörtert. Z.B. „Jeder künftige Bastillensturm ist in Fidelio intendiert“ (Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 1296).
61 Ob Bloch Guthrie geschätzt hätte, darüber können wie nur mutmaßen. Jedenfalls hatte Bloch, der doch alles kulturelle Erbe in den Dienst des Fortschrittes stellen wollte, auch seine Vorbehalte – z. B. gegen Jazz und besonders Jazztanz: „das ist außer Rand und Band geratener Stumpfsinn, mit einem ihm entsprechenden Gejaule“ (Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 457). Die emanzipatorische Bedeutung dieser Musikrichtung vor allem für die afroamerikanischen US-Bürger konnte oder wollte Bloch offensichtlich nicht erkennen.
62 Guthrie. Dies Land ist mein Land. Der Originaltitel des erstmals 1943 erschienenen Buches war „Bound For Glory“. Der deutsche Titel bezieht sich auf den wohl bekanntesten Guthrie-Songs „This Land is Your Land“ – ein Lied in dem es sowohl um Patriotismus wie auch um „die Eigentumsfrage“ geht.
63 Guthrie. Haus aus Erde.
64 Ebenda. 273.
65 Ebenda. 273 f. Guthrie geht es hier sicher nicht um das Lob des privaten Glückes in den eigenen vier Wänden. Der Originaltitel „House Of Earth“ lässt sich ja nicht nur als ein „Haus aus Erde“ denken, sondern auch – sehr nahe an Blochs Heimat-Metapher – als das „Haus der Erde“. Ganz in diesem Sinne auch Douglas Brinkley und Johnny Depp, welche die Einleitung zu Guthries Buch verfasst haben. Das Holz wäre die Metapher für kapitalistische Plünderung, Haus aus Lehmziegeln für ein „sozialistisches Utopia, in dem Pachtbauern Land besitzen“. (Einführung zu „Haus aus Erde“, 16).
66 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 558.
67 Holz. Aurora und die Eule der Minerva. 121.
68 Holz. Problemgeschichte der Dialektik. Bd. V. 561.
69 Ebenda.
70 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 216.
71 Vgl. Bloch. Experimentum Mundi. 122. Gemeint ist die bei Bloch letztlich intendierte Identität von Subjekt und Objekt.
72 Holz. Logos Spermatikos. 24.
73 Egger. Die Materie der Hoffnung. 92
74 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 366
75 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosophie. 81.
76 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 1192.
77 Ebenda. 366.
78 Ebenda. Nicht verschwiegen wird, dass es trotz dieser eindeutigen Formulierungen auch Interpretationen gibt, welche bei Bloch immer, auch angesichts des finalen Horizonts, den Prozesscharakter durch einen „nicht antagonistischen Rest von Nichtidentität“ (Schlemm. Prozess.445) gewahrt sehen.
79 Zimmer. Die Präsenz des Seins. 31 f.
80 Die Antwort hängt selbstverständlich vornehmlich davon ab, wie denn Marxismus definiert wird: In einer weiten Definition, als von Marx beeinflusster Denker, war Bloch Marxist; in einer engen, sich an der Kernaussagen des Werkes von Marx und Engels orientierten, wohl nicht, da Bloch bei Verwendung marxistischer Begriffe auch immer anderes mittransportierte. Beispiele finden sich in Fußnote 85. Bloch selber hat diese Frage, Ironie der Geschichte, mindestens einmal negativ beantwortet. Alle „Ismen“ oder Berufen auf Säulenheilige führten zu Epigonentum. Auf die Frage ob er Marxist oder Hegelianer sei, sei er „geneigt, sogar verpflichtet, nein zu sagen“. (Bloch. Tendenz-Latenz-Utopie. 342). Nebenbei bemerkt: das Zitat stammt aus einem Interview von 1964, „Hoffnung mit Trauerflor“ (ebenda, 336–349), einer leicht lesbaren, kurzen und prägnanten Einführung in Blochs Denken.
81 Horster. Bloch zur Einführung. 38. Vgl. Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 364.
82 Lange u. Alexander. Philosophenlexikon. 107.
83 Ebenda 110. Erwähnt werden etwa Blochs Engagement gegen den Vietnamkrieg oder sein Eintreten gegen die Produktion der Neutronenbombe.
84 Im Jahr 1955 wurde Bloch mit dem Nationalpreis der DDR und dem Vaterländischen Verdienstorden ausgezeichnet und wurde Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Vgl. Horster. Bloch zur Einführung. 100.
85 Arndt. Probleme der Dialektik in Ernst Blochs Experimentum Mundi. 503. Das von Arndt
angesprochene „Hinausgehen“ Blochs über Marx, ich ergänze auch Engels, ist z. B. erkennbar an der Beimengung der Finalperspektive einer „letzten Materie“ im Dialektischen Materialismus (vgl. Egger. Die Materie der Hoffnung. 90 ff). Ein weiteres Beispiel wäre der Begriff Entfremdung. Der hat bei Marx eine ethisch-moralische Dimension, erschließt sich aber vor allem als sozial-ökonomische Kategorie. Es geht um die Aneignung der Resultate des Arbeitsprozesses und der Stellung und Funktion der Menschen darin. Bei Bloch hat Entfremdung weit darüber hinaus auch ontologische, ja kosmologische Bedeutung. Ihre Überwindung käme einer Versöhnung von Subjekt und Objekt schlechthin gleich, ja sogar zwischen Mensch und „hypothetischem Natursubjekt“ (vgl. ebenda 88 ff).
86 Rehmann. Stichwort Antizipation. S.13
87 Bloch. Das Prinzip Hoffnung.336
88 Ebenda 1.
89 Bloch. Tübinger Einleitung in die Philosophie. 12.
90 Bloch. Das Prinzip Hoffnung. 1618.
91 Ebenda. 274.
92 Korngiebel. Stichwort Revolution. 483.
93 Neubert. Antonio Gramsci: Hegemonie – Zivilgesellschaft – Partei. 67.
94 Ebenda 61.
95 Bloch. Tendenz-Latenz-Utopie. 220.
96 Bloch. Das Prinzip Hoffnung 368.
97 Bloch diskutiert in diesem Zusammenhang oft die ideologische Aneignung des Mythos des „Dritten Reiches“ nicht durch die Arbeiterbewegung, sondern durch die Nationalsozialisten als Problem. Der Terminus Drittes Reich habe „fast alle Aufstände des Mittelalter begleitet … als leidenschaftliches Fernbild“ (Erbschaft dieser Zeit. 63), nun aber spiegle er sich in den „Augen der Kreuziger und Kriegsknechte. Mit Furor teutonicus, verlorenem Anschluß an die wirkliche Revolution“ (ebenda. 64).
98 Egger. Die Materie der Hoffnung. 75.
99 Russel. Philosophie des Abendlandes. 529.
100 Wilde. The Soul Of Man Under Socialism. 28f.
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