
Georgios Kolias, Wien
Logik und Wirklichkeit
Ein Kommentar zur Frage der Objektivität in Hegels Wissenschaft der Logik
Das Problem hat m.E. seine Quelle im Verständnis sowohl des Terminus „Begriff“ als auch des Terminus „Objektivität“. Weder was Begriff noch was Objektivität oder Wirklichkeit für Hegel bedeutet, ist in den meisten Fällen ausreichend expliziert worden. Dies liegt selbstverständlich auch an der Hegelschen Begrifflichkeit selbst, welche immer eine Art „Doppeldeutigkeit“ der Begriffe beizubehalten scheint. Demnach sind es oft Verkürzungen der Hegelschen Terminologie, die den Grund solcher Interpretationen ausmachen. Man kann aber selbstverständlich nicht hinter Hegels eigentümlichem, oft doppeldeutigem (man sollte eigentlich sagen, dialektischem) Sprachgebrauch Zuflucht finden, weil dies die Interpretation der Willkürlichkeit überlässt. Es ist demnach jedes Mal, wenn sich ein begriffliches Problem dieser Art ergibt, notwendig, in gewisser Weise eine Entscheidung zu treffen, die, zwar ohne die dialektische Einheit der Bedeutung zu vernachlässigen, die Doppeldeutigkeit vermeiden könnte. Zusätzlich ist es möglich, bestimmte Seiten der Hegelschen Philosophie zu vereinfachen, was keineswegs bedeutet, die Komplikationen zu übersehen.
Es ist wichtig, die Herangehensweise meines Ansatzes im Voraus zum Ausdruck zu bringen. Die offensichtliche Behandlung des Themas, welche sich auch als „Realisierung“ oder „Objektivierung des Begriffs“ formulieren lässt, scheint zunächst diejenige zu sein, die das Problem als das Problem eines (für Hegel üblichen) Übergangs betrachtet. Abgesehen davon, dass der Terminus „Übergang“ für die Begriffslogik nicht exakt ist (der Begriff geht weder über noch scheint, sondern entwickelt sich2), besteht dabei das zusätzliche und wesentlichere Problem, dass damit die Interpretation, dass es sich um eine (im Grunde metaphysische) „Personalisierung“ oder „Hypostasierung“ des Begriffs handelt, unausweichlich scheint. Es lässt sich natürlich durchaus textnahe dafür argumentieren, dass Hegel gerade dies macht bzw. sogar bezweckt, womit aber gerade das Vernünftige an seinem Projekt verschleiert wird.
Aus diesem Grund werde ich diesem Zugang nicht folgen. Die Untersuchung wird sich demnach nicht mit den konkreten Problemen des „Übergangs“ von der Subjektivität zur Objektivität des Begriffs befassen. Es wird hingegen Wert daraufgelegt, was überhaupt Begriff und Objektivität im Rahmen der Hegelschen Vorstellung von Logik bedeutet bzw. im Rahmen einer „entmystifizierten“ Lektüre dieser bedeuten könnte. Auf dieser Basis soll in der Folge gezeigt werden, dass es überhaupt durchaus vernünftig ist – auch im gegenwärtigen „rationellen“ Zeitalter – von der Objektivität und ferner der „Inhaltsfülle“ der Logik zu sprechen, ohne die Metaphysik auf eine vorkritische Ebene zu „restaurieren“.
Der Weg bis zur Objektivität
Die objektive Logik endet mit der Form der Wechselwirkung, welche das Kausalitätsverhältnis aufhebt. Es handelt sich eigentlich um die wesenslogische Form, in der die beiden Seiten des Verhältnisses sich als gleichgültig erweisen, weil es klar wird, dass diese sich nur gegenseitig bestimmen und begründen können. Damit hebt sich aber überhaupt die Wesenslogik auf, wie auch die objektive Logik, deren Teile die Seins- und die Wesenslogik sind. Es liegt nicht in den Absichten dieser Arbeit, diesen Übergang zu erklären. Es ist aber wichtig, den Unterschied zu verstehen, der zwischen objektiver und subjektiver Logik besteht.
Als objektiv ist die Logik bis zu diesem Punkt deswegen zu verstehen, weil diejenigen Kategorien untersucht werden, die in die objektive Mannigfaltigkeit Struktur und Bestimmung einführen sollen. Es handelt sich eigentlich um die Bestimmungslogik, also die Logik, welche die Natur und die Arten der Bestimmtheit untersucht.
Jede Bestimmung erweist sich grundsätzlich als eine Negation: „omnis determination est negatio“, schreibt Hegel, indem er Spinoza paraphrasiert3. Die Negation ist auch der Grund und das Wesen der dialektischen Bewegung. Indem jede Bestimmung bloß als Negation ihres Anderen erscheint und umgekehrt, hebt sich die Bestimmung auf. Dies findet mittels der bekannten Negation der Negation statt.
Die subjektive Logik ist, wie bekannt, die Logik des Begriffs. Im Allgemeinen kann hervorgehoben werden, dass die Begriffslogik im Wesentlichen nicht die Dialektik der Bestimmung untersucht, sondern die Frage des Zusammenhangs oder der Totalität. Der Begriff ist nicht eine Art von Bestimmung unter anderen, sondern die Sache der Logik selbst. Er repräsentiert allgemein die Einheit: die „Einheit der Apperzeption“, die Einheit des Gegenstands des Denkens, die Einheit der Wirklichkeit.
Die Bezeichnung „subjektiv“ enthält hier, wie auch anderswo in der Logik, eine Doppeldeutigkeit. Nichtsdestotrotz zielt die Bezeichnung der Begriffslogik als subjektive Logik vor allem darauf ab, die Tatsache hervorzuheben, dass der Begriff, also der Gegenstand der Logik, als Subjekt gesetzt wird. Der Standpunkt hat sich also im Verhältnis zur objektiven Logik verschoben, so dass die Negation, welche bis zu diesem Punkt das Wesen der Bestimmung ausmachte, nun selbst als doppelte Negation thematisiert wird. Es geht also nicht mehr um die Negation als modus operandi des Denkens, sondern um die Selbstvermittlung dieser Negation4.
Das erste Kapitel der subjektiven Logik wird „Subjektivität“ betitelt. Im Allgemeinen ist dieser erste Abschnitt die dialektische Darstellung der formalen Struktur des logischen Denkens. Der Begriff entwickelt sich zum Urteil und schließlich zum Schluss. Es handelt sich um Formen, die gewöhnlich als Teil der formalen Logik verstanden werden.
In diesem Rahmen erscheint schließlich auch die Objektivität. Der Schluss wird in seiner letzten Form, der Disjunktion, schließlich aufgehoben, etwas, was angeblich zum Resultat hat, dass der Begriff sich objektiviert. Die Formen der Objektivität sind der Mechanismus, der Chemismus und die Teleologie. Es handelt sich um Formen, die Konzeptionen der objektiven Wirklichkeit darstellen sollen. Im Gegensatz zu den Formen der Subjektivität sind sie nicht bloß formal. Sie beschreiben nämlich Verhältnisse und Prozesse, die sich nicht auf formal-logische Grundsätze zurückführen lassen, sondern den Charakter einer inneren Bewegung und Bestimmung der Dingen selbst zu haben scheinen.
Probleme und Problematik
Es wird bereits aus dieser sehr kurzen Darstellung klar, dass die Objektivität als etwas „Paradoxes“ in der subjektiven Logik erscheint. Vor allem deswegen, weil diese sich als die Logik des Begriffs präsentiert und mit Bestimmungen anfängt, die einen formal-logischen Charakter zu haben scheinen. Noch paradoxer erscheint die Tatsache, dass die Objektivität angeblich als Resultat der Aufhebung des disjunktiven Schlusses erscheint und dass es der Begriff selbst ist, der sich objektiviert. Die konkreten Probleme und hervorgerufenen Fragen sollen nun etwas detaillierter dargestellt werden.
Es kann im Voraus bemerkt werden, dass die meisten Kritiker Hegels an dieser Stelle darin übereinstimmen, dass mit der „Objektivierung des Begriffs“ Hegel in die Metaphysik oder in die Ontologie zurückfällt. Hintergrund dieser Interpretation ist der meistens positiv bewertete „metaphysikkritische“ Gestus der objektiven Logik5. Hegel verstünde auch selbst die objektive Logik als Kritik bzw. „Ersatz“ von Ontologie und Metaphysik6 und dies ist auch inhaltlich nachzuweisen.
Denn Hegel durchgeht viele Vorstellungen und Bestimmungen, die – auch tatsächlich in der Geschichte der Philosophie – den Anspruch auf eine ontologische Bestimmung der Wirklichkeit stellten, um sie mittels ihrer immanenten Dialektik aufzuheben. Was er als „Motor“ der gesamten Bewegung hervorhebt, ist der Widerspruch, der – wegen des negativen Charakters jeder Bestimmung – das Wesen jeder Kategorie ausmacht. Es wird also deutlich, warum man darin eine kritische Darstellung der „alten Metaphysik“ gesehen hat.
Der kritische Gehalt des ersten Abschnitts der subjektiven Logik wird ebenfalls meistens anerkannt. Indem Hegel die starren Formen des Begriffs in Bewegung bringt7, lässt er einerseits ihren gewöhnlich verborgenen Zusammenhang, andererseits auch ihren teilweise widersprüchlichen und begrenzten Charakter sichtbar machen. Aus diesem Grund kann der Abschnitt der Subjektivität auch als kritische bzw. dialektische Darstellung der formalen Logik gelesen werden.
Dagegen lässt sich auf unterschiedlicher Weise die Meinung erkennen, dass der in der Folge eingeführte Abschnitt der „Objektivität“ eine Inkonsequenz oder einen Rückfall darstellt. Auch wenn die Darstellung der Formen der Objektivität kritisch-dialektisch verstanden wird, wird die Nachvollziehbarkeit des positiven Gehalts dieses Abschnitts nicht wahrgenommen. Es wird also nicht anerkannt, dass die Objektivität eine logische Entwicklung des Begriffs sein kann, die tatsächlich auch zum Begreifen der objektiven Wirklichkeit beitragen kann.
Das Hauptmotiv der Kritik lässt sich zusammengenfasst in einer Bemerkung von Christian Iber erkennen, die ich hier aus diesem Grund wiedergeben möchte:
„Hegels ontologiekritische Intention ist allerdings nur gegen ihn zu retten. Denn die Begriffslehre fällt in zwei disparate Teile auseinander. Während die subjektive Begriffslogik eine Erkenntnistheorie des begreifenden Denkens ist, stellt sich die Lehre von der Objektivität als ontologische Begriffsmetaphysik dar. Die Tendenz, die Subjektivität des Begriffs als ein ontologisches Metaphysikum auftreten zu lassen (…), wird explizit im Übergang zur Objektivität, den Hegel als Realobjektivierung des Begriffs fasst. Nicht zufrieden damit, dass der Begriff die Objektivität der Wirklichkeit in Gedanken ermittelt, betätigt er sich als Demiurg der Wirklichkeit und bewährt sich als eine in der Welt waltende objektive Macht. Das Konzept, wonach die Objektivität der äußeren Realität aus dem Begriff selbst hervorgeht, ergibt sich aus Hegels ontologischem Monismus des Begriffs bzw. des Denkens“8.
Man erkennt also deutlich, dass, abgesehen von den argumentativen Implikationen der Aufhebung des Schlusses, der Übergang zur Objektivität als eine Schöpfung der Wirklichkeit aus dem Begriff verstanden wird. Dabei geht es auch, aber nicht ausschließlich, um eine Deutung der Subjektivität des Begriffs in einer „personifizierten“ Weise. Der Begriff wird als „Demiurg“, als eine göttliche Subjektivität, die sich mehr oder weniger in die Objektivität „inkarniert“, interpretiert.
Ich möchte betonen, dass diese Kritik selbstverständlich nicht ohne Grund ist. Denn es liegt vor allem an Hegels eigener Darstellungs- und Ausdrucksweise, dass sich das Kapitel in einer solchen Weise verstehen lässt. Hegel benutzt auch oft Parallelen zur Theologie und vergleicht sogar den Übergang zur Objektivität mit dem ontologischen Argument der Existenz Gottes9.
Es ist nicht die Absicht dieser Untersuchung, diese Implikationen und Komplikationen zu verleugnen. Ziel ist vielmehr, eben weil solche Implikationen bestehen, das zu untersuchen, was „hinter“ diesen einen eigenen gültigen Gehalt bewahren könnte. Es handelt sich also um eine Untersuchung des logischen Gehalts oder der „Logizität“ dieses Objektivitätskapitels in der subjektiven Logik. Mögliche Inhalte also, die ontologischer oder theologischer Natur sind, sollen keinen Einfluss auf den Vorgang dieser Untersuchung haben.
Das eigentliche Problem
Man kann sich natürlich lange um interpretatorische und exegetische Fragen rund um Hegel streiten. Um aber dem Kern der Sache nahe zu kommen, ist es notwendig, das eigentliche philosophische Problem hinter dieser auf Hegel eingeschränkten Debatte zu beschreiben. Solange man nämlich die Frage der Objektivität in der subjektiven Logik nur als eine Eigentümlichkeit von Hegel behandelt, übersieht man damit die Implikationen des Problems und gelangt zu Interpretationen, die zwar textnahe sind oder erscheinen, aber weltfremd bleiben.
Der Kern der Sache ist das Verhältnis von Begriff und Wirklichkeit, welches aber schließlich auf die Frage der Wirklichkeit des Begriffs hinausläuft, also der Frage, wann eine Kongruenz zwischen Begriff und Wirklichkeit besteht. Es gibt dutzende Ansätze, die auf diese allgemein-philosophischen Probleme eingehen, die ich hier natürlich nicht demonstrieren kann. Diese verschiedenen Variationen hängen aber grundsätzlich von der allgemeinen Herangehensweise ab. Das bedeutet, dass es eine grundlegendere Ebene gibt, die sich mehr auf die Art der Frage und der Natur des Sachverhalts bezieht, als auf die Antwort, die in den einzelnen Fällen gegeben wird.
Es kann also festgestellt werden, dass – mindestens seit Kant – diejenige Herangehensweise dominant geworden ist, die das Problem erkenntnistheoretisch behandelt. Daraus können viele verschiedene Ansätze folgen, die vom extremen Empirismus bis zum transzendentalen Idealismus reichen. Was aber diese Ansätze gemeinsam haben, ist der grundlegende Subjektivismus, von dem sie ausgehen. Subjektivismus ist nicht gleich die Dominanz des Subjekts über die Wirklichkeit. Es bedeutet aber die Dominanz des Standpunkts des Subjekts über die Frage nach der Kongruenz des Begriffs und der Wirklichkeit. Denn was man grundsätzlich zu beantworten versucht, ist, wie das Subjekt sich der Wirklichkeit aneignet. Der Ausgangspunkt ist also immer eine Subjektivität, die sich in irgendeiner Weise irgendeinen Inhalt zueigen machen soll. Daraus folgt aber auch unmittelbar, dass das Denken als etwas wesentlich Verschiedenes von seinem Gegenstand betrachtet wird. Egal, wie empiristisch oder „materialistisch“ man zu sein vorgibt, das Denken bleibt schließlich eine von der Wirklichkeit abgesonderte Substanz.
Selbes gilt auch für den Fall, dass das Denken entwicklungstheoretisch gefasst wird, denn sofern ausschließlich die erkenntnistheoretische Fragestellung im Vordergrund steht, bleibt auf der einen Seite eine geistige Substanz und auf der anderen eine Wirklichkeit, die nur im Erkennungsprozess relevant bleibt und womit jede objektive Prozesshaftigkeit verleugnet wird. Dies resultiert aus der Annahme, dass man es nur mit einer Frage des subjektiven Erkennens zu tun hat, was schließlich impliziert, dass man die Objektivität dieses Erkennens entweder als Gegeben ansieht oder als für immer Verborgen oder auch als eine bloße subjektive Konstruktion.
Was könnte aber eine Alternative zu einer solchen Herangehensweise darstellen? Selbstverständlich geht es nicht darum, die erkenntnistheoretische Fragestellung vollkommen zu verwerfen. Es geht vielmehr darum, das Verhältnis zwischen Begriff und Objektivität, Denken und Wirklichkeit in einer Weise zu behandeln, die auch die erkennungstheoretischen Probleme in einen anderen Rahmen setzen würde. Dies setzt voraus, dass man die Terme des Verhältnisses anders deutet.
Was ist also der Begriff oder allgemeiner das Denken? Ganz grundsätzlich kann man den Begriff als die Abstraktion bezeichnen. Worin besteht aber das Wesen der Abstraktion? Der gemeinen Vorstellung zufolge ist sie entweder nur eine leere Form oder ein Mittel, um einen Gegenstand zu zergliedern und damit „begreifbar“ zu machen. Die Wahrheit dieser Vorstellung besteht aber darin, dass der Begriff und somit das Denken sowohl eine Annäherung der Wirklichkeit darstellt als auch ein Entfernen von dieser. Diese doppelte Bewegung hat aber zur Folge, dass das Erkennen der Wirklichkeit keine so einfache Sache, wie die Füllung eines Subjekts bzw. subjektiven Begriffs mit empirischem Inhalt sein kann. Denn der Begriff erweist sich als Negation der Wirklichkeit und damit aber zugleich als eine Aufhebung der Wirklichkeit.
Damit erscheint aber das, was man als Erkennen fassen möchte, als eine „Rückkehr“ zur Wirklichkeit und nicht als ein subjektiver Aneignungsprozess. Mit anderen Worten ist die Vorstellung vom subjektiven Erkennen als eine einseitige Bewegung einer subjektiven Substanz in Richtung einer passiven Substanz ein Schein, der auf einseitigen subjektivistischen Annahmen beruht. Der wirkliche Prozess erweist sich als eine Rekonstruktion der Wirklichkeit vom und im Begriff. Die Bedingung der Möglichkeit dieser Rekonstruktion ist aber eben die Tatsache, dass der Begriff keine leere Hülle ist, der der Inhalt fehlt, sondern schon im Voraus eine Widerspiegelung der Wirklichkeit, wie diese an und für sich ist. Der Begriff ist somit keine vom Inhalt getrennte Form, sondern selbst der Inhalt des Denkens. Dieser Inhalt ist aber eben nicht bloß subjektiv, eine Erkenntnis, sondern ebenso sehr objektiv. Wäre er das nicht, dann wäre auch das subjektive Erkennen objektiver Gegenstände unmöglich.
Nur ein solcher Ansatz kann als dialektisch bezeichnet werden. Denn nur dadurch ist es möglich, den Zusammenhang zwischen Subjektivität und Objektivität zu durchschauen. Nur dadurch kann der reelle, objektive Entwicklungsprozess des Denkens begriffen werden. Denn was schließlich dialektisch von Interesse ist, ist das wirkliche und nicht das formale Denken.
In diesem Rahmen ist m.E. auch das Problem der Objektivität in der Begriffslogik von Hegel zu behandeln. Dieser Rahmen lässt sich schließlich auch auf die Frage der Methode zurückführen. Die Tatsache, dass diese das Resultat der Logik ausmacht, darf nicht unterschätzt werden. Die Methode ist ebenfalls vielmehr als eine erkennungstheoretische Sache, denn sie ist „sowohl die Art und Weise des Erkennens, des subjektiv sich wissenden Begriffs, als die objektive Art und Weise oder vielmehr die Substantialität der Dinge“10. Der rationelle Kern der Objektivität des Begriffs wird sich nur erschließen, wenn man diese dialektische Grundsätze in Betracht zieht und vereinfachte Schemata beiseitelässt.
Die Bedeutung von Objektivität in der Wissenschaft der Logik
Zunächst ist es wichtig zu betonen, dass Hegel in der Wissenschaft der Logik (und allgemein in seiner Philosophie) die Objektivität in einem doppelten Sinne benutzt. Die erste Bedeutung, welche als „schwächere“ oder „unbestimmtere“ – wie Hegel sagt – bezeichnet werden kann, bezieht sich auf die Objektivität als „die mannigfaltige Welt in ihrem unmittelbaren Dasein, mit welcher Ich oder der Begriff sich nur in den unendlichen Kampf setzt, um durch die Negation dieses an sich nichtigen Anderen, der ersten Gewißheit seiner selbst die wirkliche Wahrheit seiner Gleichheit mit sich zu geben“11. Hegel identifiziert diese Bedeutung der Objektivität mit der Vorstellung des „subjektiven Idealismus“. Das ist „so ein Gegenstand überhaupt für irgendein Interesse und Tätigkeit des Subjekts“12.
An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass diese Bedeutung m.E. der objektiven Logik entsprechen muss. Auch wenn der Begriff als solcher noch nicht erschienen bzw. gesetzt ist, ist es deutlich, dass es auch in dieser eine Reflexion gibt, deren Charakteristikum genau darin besteht, dass sie einen äußeren, gegebenen Gegenstand hat. Es soll betont werden, dass dies nicht nur für die Seinslogik, sondern ebenso sehr für die Wesenslogik gilt. Diese muss nämlich ebenfalls von einem Unmittelbaren (eben dem Sein, das zum Wesen oder Schein wird) ausgehen. Was sich ändert, ist lediglich die Art der Bestimmungen, welche nun aus der Reflexion selbst entspringen und selbst nicht unmittelbar sind. Trotzdem beharrt aber die Bedingtheit des Denkens wegen seiner Abhängigkeit vom Gegebenen.
Gegen diese erste Objektivitätsauffassung bedeutet in der Begriffslogik „das Objektive das Anundfürsichseiende, das ohne Beschränkung und Gegensatz ist“13. Es wird deutlich, dass man es damit mit einer „stärkeren“ Bedeutung von Objektivität zu tun hat, welche auch als die eigentliche Bedeutung der Objektivität bezeichnet werden kann. Davon ausgehend, ist es möglich zu verstehen, was die Objektivität in der subjektiven Logik für eine Rolle spielt und worauf sich ihre „Legitimation“ begründen lässt.
Es ist wichtig zu betonen, dass die beiden Bedeutungen der Objektivität nicht nur sehr unterschiedlich sind, sondern in gewissem Sinne sogar entgegengesetzt. Denn wo die Objektivität im ersten Sinne das Bedingte, Endliche, Sein-für-Anderes ist, ist sie dagegen im zweiten Sinne das Absolute, das Unbedingte, das Selbstbezügliche. Es ist also ausgeschlossen, dass die Objektivität in der Begriffslogik mit der Objektivität im schwachen Sinn gleichzusetzen ist. Dies ist aus dem Grund von Bedeutung, weil damit das Missverständnis vorweggenommen wird, dass Hegel auch die Objektivität im schwächeren Sinn dem Begriff zuschreibt und diese als dessen „Schöpfung“ hinstellt. Denn ein wesentlicher Teil der Kritik an Hegel – nämlich derjenige, der sich stark auf Kants „subjektiven Idealismus“ bezieht – verwirft die „Realisierung des Begriffs“ mit dem typischen Argument, dass der Begriff (als bloße Form) einem Äußeren bedarf, um einen Inhalt und letztlich eine Objektivität zu erlangen. Es ist aber nun deutlich, dass dieses Argument nur insofern gültig wäre, wenn Hegel die Objektivität in der subjektiven Logik im ersteren, schwachen Sinne benutzen würde. Das ist aber, wie gezeigt, nicht der Fall. Hegel behauptet demnach auch nirgends, dass das Empirische von einem abstrakten Begriff abzuleiten ist. Gleichzeitig betrachtet er aber auch das Empirische nicht als Voraussetzung für die Objektivität im wahren Sinn. Dies zu erklären, wird vielmehr das Anliegen der folgenden Analyse sein, und nicht, ob Hegel die Welt aus dem Begriff schöpft, wie oft behauptet wurde und wird.
Die Schwierigkeit besteht prinzipiell darin, dass die Objektivität in einer Weise gedacht werden soll, die vollkommen ihrem Begriff und nicht ihrer Vorstellung entsprechen muss. Wenn das Objektive das „Anundfürsichseiende“ bezeichnen soll, dann ist die Frage, was an einem Objekt – jetzt im allgemeinen Sinne – wirklich das Objektive ist. Mit anderen Worten, was ist das, was das Objekt zum Objekt, also zu einem von der subjektiven Reflexion Unabhängigen, macht.
Dazu ist es wesentlich, verstanden zu haben, was Bedeutung und Resultat der objektiven Logik sind. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, kann festgehalten werden, dass sich in der Dialektik der objektiven Logik der bedingte und letztlich subjektive Charakter des Objektiven im schwächeren Sinne ergeben hat. Möchte man, wie in der Seinslogik, von der Unmittelbarkeit ausgehen, dann hat man nur die Indifferenz als Resultat, d.h. die Unmöglichkeit, eine objektive, also unabhängige, anundfürsichseiende Bestimmtheit zu setzen, da schließlich der unmittelbare Unterschied verschwindet. Möchte man von der Reflexion ausgehen, da es sich erwiesen hat, dass etwas „Festes“ am Unmittelbaren nicht zu finden ist, erweisen sich diesmal die Reflexionsbestimmungen selbst und nicht das sowieso unbestimmte Unmittelbare als willkürlich und bedingt. Was sich daraus schließen lässt, ist, dass das angeblich „Objektive“ in Wirklichkeit etwas „Subjektives“ – ebenfalls im schwachen Sinn –, Zufälliges, Willkürliches ist.
Alles hängt letztendlich vom Ausgangspunkt ab. Geht man wie Kant von der Subjektivität des Begriffs, des Logischen insgesamt aus, dann ist selbstverständlich das Objekt eine „Synthese“ und schließlich etwas, was sich nur empirisch erfahren lässt. Was aber als sehr plausibel erscheint, erweist sich als sehr problematisch, wenn man feststellt, dass, auch wenn ein Subjekt Begriffe „hat“, zur Erfassung welcher jenes Subjekt Empirie, Anschauung bedarf, es doch nicht sein kann, dass der Begriff wirklich von dieser subjektiven Empirie abhängig sein soll. Ist es überhaupt haltbar, dass diese bestimmte Anschauung, welche dieses oder jenes Subjekt hatte, den Inhalt des Begriffs ausmachen soll? Der Begriff, sofern er wahr sein soll, muss unbedingt wahr sein. Der Begriff muss schließlich allgemein sein. Wie kann er also die Anschauung, welche zufällig und bedingt ist, zu seinem Inhalt haben? Nach Hegels Ansicht verwechseln Kant und viele andere vor und nach ihm den subjektiven Begriff mit dem Begriff an und für sich. Darin besteht letztlich der Empirismus oder „Psychologismus“ ihres Standpunktes14.
Was für den Begriff gilt, gilt aber demzufolge auch für das Objekt, das dem Begriff entsprechen soll. Es kann demnach ebenso wenig behauptet werden, dass ein Objekt die Anschauung, die man von ihm hat, an und für sich hat. Sofern man ebenfalls das Objekt als eine „Konkretion“ des abstrakt-allgemeinen Begriffs versteht, kann auch nicht behauptet werden, dass die Bestimmungen, die es in unserer Reflexion zu besitzen scheint, das Konkrete an ihm ausmachen. Denn diese Bestimmungen sind gerade das Abstrakt-Allgemeine an ihm, da eine Bestimmung letztlich nicht die Einzelheit eines Gegenstands bezeichnet, sondern eigentlich etwas Allgemeines an ihm und zugleich auch Abgetrenntes von ihm.
Was ist also das Objektive und Konkrete am Objekt? Es ist die Tatsache, dass es als eine Totalität erscheint. Diese Totalität ist aber keine Zusammenknüpfung von Bestimmungen, keine Zusammensetzung von ursprünglich getrennten Teilen und Eigenschaften, sondern eine einfache untrennbare Einheit. Diese Totalität ist aber schließlich nichts Anderes als der Begriff. Der Begriff ist nämlich genau der Ausdruck der Totalität eines Objektiven, da er diese untrennbare von jeder Reflexion unabhängige Einheit des Gegenstands des Denkens bezeichnet. Auf die Frage, ob nun die Totalität in dieser Weise im Subjekt, also ideell oder im Objekt, also reell, besteht, kann nur eine einzige dialektische Antwort gegeben werden: dass nämlich der Begriff sowohl ideell als auch reell sein muss, um überhaupt als Begriff anerkannt zu werden. Was das praktisch bedeutet, erschließt sich nur, wenn man sowohl die idealistische als auch die empiristisch- positivistische Vorstellung bei Seite lässt. Was Hegel an dieser Stelle hervorheben möchte, ist die Tatsache, dass Begriff und Objekt – logisch betrachtet – zwei Seiten derselben Medaille sind. Beide haben nämlich denselben Inhalt, bezeichnen dieselbe Sache: die einzelne Totalität des Gegenstands.
Diese Identität wurde aber allzu oft als Kritikpunkt gegen „Hegels Idealismus“ und dessen „Identitätsdenken“ verwendet15. Dabei geht es aber meistens um grundlegende Missverständnisse bezüglich der Natur dieser Identität und derer Konsequenzen. Sie wird nämlich in solcher Weise dargestellt, als ob aus ihr folgen würde, dass die Realität nur des Begriffes willen besteht oder sogar erst durch diesen geschaffen wird. Was sich aber nicht im Begriff darstellen lässt, ist nicht einfach deswegen unwirklich bzw. unwahr, weil es sich nicht im Begriff darstellen lässt. Der Begriff ist kein Kriterium der Wirklichkeit. Die Tatsache, dass der Begriff etwas Wirkliches darstellt und andererseits das Wirkliche sich im Begriff darstellen lässt, basiert auf einer Identität von Vernunft und Wirklichkeit, die aber deswegen nicht metaphysischer Art ist, weil auch der Unterschied, oder besser gesagt das Anundfürsichsein, die gegenseitige Unabhängigkeit anerkannt wird.
Die (Wieder-)Einführung der Objektivität
Wie schon eingangs erwähnt, besteht meine These prinzipiell darin, dass die Frage bezüglich der Bedeutung der Objektivität in der subjektiven Logik nicht zu sinnvollen Antworten gelangt, wenn man sie als eine „Realisierung des Begriffs“ im Sinne einer logischen Deduktion der Wirklichkeit aus dem Begriff behandelt. Die Frage also, ob Hegel an dieser Stelle den Begriff als „Demiurg“ der Wirklichkeit darstellt, steht m.E. nicht im Vordergrund. Viel produktiver und sinnvoller ist es, wenn man sich über die bemerkenswerte Tatsache Gedanken macht, dass Hegel trotz der Erreichung des Standpunktes der Subjektivität, welche nach idealistischer Manier den höchsten Standpunkt darstellen sollte, trotzdem die Objektivität wiedereinführt. Dass es sich außerdem um eine Wiedereinführung und nicht um ihre Ersterscheinung handelt, ist von großer Bedeutung, weil damit deutlich wird, dass es sich um keine Deduktion oder auch um Potenzen des Begriffs irgendeiner Art handelt, wie das etwas wieder der Fall für den deutschen Idealismus ist. Denn Hegel hat schon – sowohl in der Phänomenologie als auch im ersten Teil der Logik – der objektiven Logik mit einem Begriff der Objektivität als bloßer Unmittelbarkeit operiert und ist nicht etwa von dem reinen Standpunkt eines absoluten Ich oder von transzendentalen Bedingungen ausgegangen, sondern hat gezeigt, dass das Denken diesen dialektisch erst erreichen muss. Demnach muss die Wiedereinführung der Objektivität auf etwas Anderes hinauslaufen.
Meiner Meinung nach läuft das genau darauf hinaus, dass Hegel anerkennt, dass trotz der Setzung des Begriffs, also trotz der Aufhebung alles Objektiven, alles Unmittelbaren in den Begriff, weiterhin die Wirklichkeit an und für sich, also in ihrer Objektivität, besteht. Mit anderen Worten, was Hegel einsieht, ist, dass aus der Bewegung des Begriffs selbst notwendig folgen muss, dass es Etwas außerhalb des Begriffes gibt, etwas, das seine Unabhängigkeit gegenüber dem subjektiven Begriff bewahrt.
Die „Realisierung des Begriffs“ in der Objektivität kann also rationell nur als die Anerkennung der Tatsache verstanden werden, dass der Begriff nur insofern wirklich ist und seine Bestimmung oder Funktion als Begriff erfüllt, als er sich an die Wirklichkeit außer sich, wie diese an und für sich ist, wendet. Selbstverständlich ist da einzuräumen, dass es sich nicht um eine absolute Andersheit, oder wie man es sonst noch nennen möchte, handelt, sondern um eine durch die Aufhebung der Vermittlung erreichte Unmittelbarkeit. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Hegel die Objektivität weder auslässt noch aus dem Begriff deduziert.
Hegel weist damit vielmehr auch auf etwas Anderes hin: dass nämlich die Objektivität erst dann wirklich objektiv, also an und für sich, erscheint, wenn sie vom Begriff vermittelt wird. Was das bedeutet, ist ziemlich einfach zu erfassen, wenn man sich von empiristischen und positivistischen Vorurteilen befreit: dass sich nämlich der wirkliche Prozess nicht unmittelbar, d.h. nicht in einer uns gegebenen Weise, erkennen lässt, sondern erst, wenn die Wirklichkeit zunächst in eine Abstraktion gebracht wird, die aber nur darin ihren Zweck hat, ihren Weg zum Konkreten zurückzufinden, also sich nicht als bloßer Formalisierungsprozess, sondern als eine Methode des Begreifens einer konkreten Sache ergibt.
Die Notwendigkeit dieser Abstraktion besteht darin, dass die Unmittelbarkeit gar nicht die anundfürsichseiende Wirklichkeit darstellt, sondern im Gegenteil die bloß subjektive, reflexive Erscheinung der Wirklichkeit. Aus diesem Grund ist sie aber auch eine Abstraktion, die sich der dialektischen Bewegung selbst unterwerfen muss, was schließlich bedeutet, sich ihren eigenen Widersprüchen und Verkürzungen stellen zu müssen, um zum Resultat zu gelangen, dass sich die Totalität der Sache schließlich außerhalb dieser Abstraktion befindet. Demnach ist es eine wirklich aktive, tätige Abstraktion, die nur ein Moment des ganzen Prozesses des Begreifens ausmacht und nicht dessen endgültiges Resultat darstellt und so sich auch selbst verstehen muss.
So kann man auch besser verstehen, wie Hegel das Verhältnis von Idealität und Realität fasst. Weit davon entfernt, die Idealität als etwas an und für sich Absolutes zu setzen, zeigt Hegel, dass das bloß ideelle Auffassen der Sache keineswegs das Letzte darstellt. Das ideelle Auffassen ist zwar der erste Schritt. Dieses stellt aber nicht nur die absolute „Herrschaft“ des Ideellen, des Subjektiven über das Reale dar – denn das ist nur die eine Seite der Medaille –, sondern zugleich die Notwendigkeit, diese „Herrschaft“ behaupten zu können. An dieser Stelle ergibt sich, dass sich bei der Manifestation dieser „Herrschaft“ und Freiheit des Begriffs zugleich eine „Unterwerfung“ – die bis zum Verlust seines selbst reichen kann – der Subjektivität unter die Gesetzmäßigkeiten der Objektivität manifestiert.
Für die Logik bedeutet das Folgendes: dass sich die in der Form der Allgemeinheit ausgedrückten logischen Strukturen als Grundlage und Quelle sowohl der subjektiven Freiheit als auch der objektiven Notwendigkeit ergeben. Die Logik ist also einerseits Ausdruck der Kraft der Abstraktion, der rein ideellen geistigen Tätigkeit, aber andererseits genauso ein Ausdruck der Tatsache, dass dadurch nichts Anderes widerspiegelt werden kann als die Objektivität, also eine vom subjektiven Begriff unabhängige Wirklichkeit. Zugleich ist diese objektive Wirklichkeit aber keinesfalls etwas wesentlich vom Denken Unterschiedenes und umgekehrt ist auch das Denken keine von der objektiven Wirklichkeit getrennte Substanz.
Dieses Verhältnis erscheint auf dem ersten Blick vielleicht eine Art Wechselwirkung zwischen Begriff und Wirklichkeit darzustellen, was den Verdacht einer metaphysischen Rolle des Begriffs erneut erwecken könnte und dem Charakter der Objektivität als das Anundfürsichsein widersprechen würde. Es handelt sich aber um eine Täuschung, weil damit die Tatsache übersehen bzw. unterschätzt wird, dass die Formen des Begründungsverhältnisses, zu denen auch die Wechselwirkung – als ihre vollendete Form – zu rechen ist, der Sphäre des Wesens angehören und damit vom Begriff aufgehoben wurden. Die Form des Verhältnisses zwischen Begriff und Wirklichkeit bzw. Idealität und Realität des Begriffs auf solche Formen zurückzuführen, führt demnach zu keinem adäquaten Verständnis, sondern zu einem Rückfall in ontologisierende Bestimmungen, die als aufgehoben gelten müssen, weil sie die Natur des Begriffs nicht vollkommen beschreiben können.
Das betreffende Verhältnis ist ein Selbstverhältnis. Ein Selbstverhältnis des Inhalts. Und was Hegel zeigt, ist, dass genau darin das Wesen des Begreifens liegt. Im Gegensatz zu der Vorstellung eines fertiggestellten formalen Begriffs, der sich empirisches Material aneignen muss, erweist sich das Begreifen tatsächlich als eine „Objektivierung“ des Begriffs, nicht weil er „allmächtig“ ist und sich über die Wirklichkeit erhebt, sondern weil er selbst nichts anderes als die abstrakte Form der objektiven Wirklichkeit darstellt, also die Widerspiegelung objektiver Verhältnisse ist.
Schlusswort
Welche Bedeutung hat schließlich die Objektivität in der subjektiven Logik? Sie bezeichnet die Tatsache, dass die Logik – weit davon entfernt, eine Abstraktion zu sein bzw. zu bleiben – auch objektiv, d.h. über die abstrakten Formen hinaus, „wirksam“ ist. Die Objektivität, sofern wir uns noch im Rahmen der logischen Wissenschaft bewegen, schöpft natürlich nicht die Erscheinungen der Wirklichkeit aus. Aber das ist auch nicht ihre Absicht. Was sie beschreibt, ist, dass die Objektivität nicht bloß eine „Synthese“ abstrakter Kategorien und empirischen Materials ist, sondern eben die eine und dieselbe Logik darstellt, aber eben nicht in der „Ruhe“ des subjektiven Begriffs, sondern in der Bewegung der Wirklichkeit selbst. Zwischen der abstrakteren Ebene der subjektiven Darstellung und der konkreteren objektiven Auslegung der Logik besteht natürlich ein Unterschied. Was aber Hegel zeigt, ist, dass dieser Unterschied nicht substantieller oder reflexiver Art ist, sondern ein Unterschied, der schließlich auf der Einheit basiert. Diese Einheit ist aber keine abstrakte, formale Einheit, also keine Einheit, die darauf basiert, dass man sich auf bloße „Gemeinsamkeiten“ bezieht, sondern eine Einheit des in beiden Formen behandelten Inhalts.
Eine Logik ohne Objektivität ist demnach aus Hegels Sicht unvernünftig, also gar keine Logik. Inwiefern ist es aber dann noch sinnvoll, von einer Logik zu sprechen? Es ist deswegen sinnvoll, weil damit eine Wissenschaft ermöglicht wird, die weder das bloß Abstrakte noch das bloß Empirische zum Gegenstand hat. Ferner eine Wissenschaft, die die Wirklichkeit nicht bloß wie sie uns erscheint präsentiert, sondern wie sie tatsächlich ist. Eine solche Wissenschaft kann nur eine Logik zugrunde haben und selbst nur als eine Logik gefasst werden. Eine Logik impliziert eine Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit, die von keiner subjektiven Reflexion abhängt. Sofern sie aber nicht bloß abstrakt und analytisch ist, impliziert sie auch, dass sie als Wissenschaft die Logik der Wirklichkeit untersucht. Eine solche Logik zeigt, dass die Wirklichkeit eine Struktur aufweist, die sich nicht auf subjektive apriorische transzendentale Grundlagen zurückführen lässt – welche letztendlich nichts anderes als eine Festsetzung der objektiven logischen Bestimmungen sind –, sondern ihren Ursprung in der Bewegung und Entwicklung der Wirklichkeit selbst hat.
Endnoten
1 G.W.F. Hegel, Werke, Bd. 6: Wissenschaft der Logik II, Frankfurt/M 1986, 402-461. Ich werde zur Erleichterung des Lesers die weit verbreitete Suhrkamp-Ausgabe von Hegels Werken benutzen (Fortan: W und Bandnummer).
2 Vgl. W 6, 310: „Da an und für sich Subjekt und Prädikat die Totalität des Begriffes sind und das Urteil die Realität des Begriffes ist, so ist seine Fortbewegung nur Entwicklung; es ist in ihm dasjenige schon vorhanden, was in ihm hervortritt, und die Demonstration ist sofern nur eine Monstration, eine Reflexion als Setzung desjenigen, was in den Extremen des Urteils schon vorhanden ist; aber dies Setzen selbst ist schon vorhanden; es ist die Beziehung der Extreme“. Man sieht, dass die „Entwicklung“ genau mit der „Realisierung“ verbunden ist, da nicht zufällig, das Urteil als die „Realität des Begriffes“ beschrieben wird.
3 W 5, 121: „Die Bestimmtheit ist die Negation als affirmativ gesetzt, — ist der Satz des Spinoza: Omnis determinatio est negatio“.
4 Zur These, dass die Negation in der Begriffslogik als grundlegende Operation überfällig wird vgl. Anton Friedrich Koch, „Die Problematik des Übergangs von der Schlusslehre zur Objektivität“, in: A. Arndt, Chr. Iber, G. Kruck (Hrsg.), Hegels Lehre vom Begriff, Urteil und Schluss, Berlin 2006, 205-215, S. 210: „So wird am Ende der wesenslogischen Entwicklung widerum die Rücknahme einer theoretischen Investition möglich und fällig, diesmal die der Operation der Negation. Alle unsere operativen Voraussetzungen, die des Seins als Operandums und die der Negation als Operation, sind nun vollständig zurückgenommen, d.h. als Voraussetzungen aufgehoben. So kann sich die Begriffslogik als ein theoretisches Geschäft ohne Investitionen entfalten, das lauter Reingewinn abzuwerfen verspricht“.
5 Vgl. M. Theunissen, Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen Logik, Frankfurt/M 1978. Der Übergang zum Begriff wird letztendlich als Kritik jeder Ontologisierung verstanden, siehe H.-P. Falk, Das Wissen in Hegels „Wissenschaft der Logik“, Freiburg, München 1983, 11-23, 138ff.
6 W 5, 61: „Die objektive Logik tritt damit vielmehr an die Stelle der vormaligen Metaphysik, als welche das wissenschaftliche Gebäude über die Welt war“.
7 W 6, 243: „(…) indem sich für die Logik des Begriffs ein völlig fertiges und festgewordenes, man kann sagen, verknöchertes Material vorfindet und die Aufgabe darin besteht, dasselbe in Flüssigkeit zu bringen und den lebendigen Begriff in solchem toten Stoffe wieder zu entzünden“.
8 Ch. Iber, Übergang zum Begriff. Rekonstruktion der Überführung von Substantialität, Kausalität und Wechselwirkung in die Verhältnisweise des Begriffs, in: Der Begriff als die Wahrheit. Zum Anspruch der Hegelschen „Subjektiven Logik“, hrsg. von A.F. Koch, Al. Oberauer, K. Utz, Paderborn 2003, 49-66, S. 66 Anm.
9 W 6, 402ff. Diese Seite der Objektivierung des Begriffs wird besonders von Fr. Schick hervorgehoben, in: Fr. Schick, Hegels Wissenschaft der Logik – metaphysische Letztbegründung oder Theorie logischer Formen?, Freiburg/München 1994, 243-251.
10 W 6, 552.
11 W 6, 407-408.
12 Ebd.
13 Ebd.
14 W 6, 261: „Alsdann ist die Kantische Philosophie nur bei dem psychologischen Reflexe des Begriffs stehengeblieben und ist wieder zur Behauptung der bleibenden Bedingtheit des Begriffes durch ein Mannigfaltiges der Anschauung zurückgegangen. Sie hat die Verstandeserkenntnisse und die Erfahrung nicht darum als einen erscheinenden Inhalt ausgesprochen, weil die Kategorien selbst nur endliche sind, sondern aus dem Grunde eines psychologischen Idealismus, weil sie nur Bestimmungen seien, die vom Selbstbewußtsein herkommen“.
15 Adornos gesamte Kritik an Hegels Dialektik stützt sich eigentlich auf dieser Identität. Vgl. z.B. Th. Adorno, Gesammelte Schriften, Bd. 6: Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit, Frankfurt/M 1970, 135-205.