
Martin Krenn, Wien
Über Walter Hollitscher
Marginalien zum großen Werk eines marxistischen Denkers aus Österreich
Das sich über ein halbes Jahrhundert erstreckende wissenschaftliche Werk des österreichischen Philosophen Walter Hollitscher versteht sich als Beitrag zu einer dialektisch-materialistischen Theorie des „Gesamtzusammenhangs“ (Engels) und gleichsam als Versuch einer enzyklopädischen Darstellung der mannigfaltigen Resultate der Human-, Sozial- und Naturwissenschaften auf der allgemeinen Grundlage der materialistischen Dialektik. Es ist dies nichts weniger als die Wiederaufnahme eines Programmes, wie es bereits Engels mit seiner Schrift zur Dialektik der Natur vorgegeben hat und dessen theoretisches Herzstück – der dialektische Materialismus – eine neue philosophische Qualität in der Synthesis von Geistes- und Naturwissenschaften bezeichnet, ohne, so Hollitscher, „eine besondere philosophische ‚Überwissenschaft‘ zu sein, ein fix und fertiges System, in dessen Prokrustesbett die Natur durch Strecken und Stauchen hineingezwungen wird“1.
Ein solcher Anspruch, das „Ganze“ zu denken, impliziert zwangsläufig auch die Klärungsbedürftigkeit der anthropologischen Frage nach der spezifisch menschlichen Verfasstheit. Zwar entwickelt Hollitscher (genauso wenig wie Marx) eine systematische Explikation dieser Fragestellung, kommt jedoch in nahezu allen seinen Werken auf sie zurück. Die angesprochene anthropologische Konstitution des Menschen ist demnach nur in der herausragenden (mit Plessner: „exzentrischen“) Positionalität des menschlichen Seins innerhalb der allgemeinen Naturgeschichte zu erfassen; der Mensch ist als Naturwesen jedoch zugleich Kulturwesen. Dies ist die entscheidende Wendung Hollitschers, der die Auffassung einer a-historischen Wesenheit des Menschen vehement ablehnt und diese vielmehr als historisch variable Größe auf der Grundlage eines allgemein verstandenen Entwicklungsparadigmas verortet. Der Mensch ist nicht, er wird. Der Aspekt des Werdens liefert Hollitscher gleichzeitig das einheitsstiftende Moment, um überhaupt vom Menschen als Ganzheit sprechen und einen ansonsten unvermeidlichen Dualismus vermeiden zu können. Bewusstsein und (menschliches) Sein, Leib und Geist entfalten sich damit vor dem Hintergrund eines naturgeschichtlichen Entwicklungszusammenhangs, dessen Dispositionen gleichzeitig – und in einem nicht-teleologischen Sinne – zu den „Existenzialen“ des menschlichen Seins werden. Determination bedeutet für Hollitscher eben nicht Automatismus, sondern nur die Bedingung der Möglichkeit, warum etwas überhaupt ist und nicht vielmehr nicht (ist).
Einführung
„[…] es ist hohe Zeit, dass die Dialektik aus der Wirklichkeit abgeleitet wird, anstatt daß man sie aus der Geistesgeschichte ableitet und aus der Wirklichkeit nur Beispiele für die Gesetze auswählt.“
(Brecht, Arbeitsjournal, 31.1.1940)
Die Legitimation einer Beschäftigung mit dem Denken von Walter Hollitscher (1911-1986) wird in erster Linie nicht durch die Tatsache begründet, dass es sich bei seiner Person um einen der führenden Intellektuellen in den Reihen der Kommunistischen Partei Österreichs nach 1945 handelte; sie ist auch nicht originär in der (durchaus bemerkenswerten) thematischen Breite und dem quantitativen Umfang zu sehen, den sein wissenschaftliches und publizistisches Werk im Laufe eines über fünfzigjährigen geistigen Schaffens erreicht hat – wenngleich an dieser Stelle (und nicht versteckt im Fußnotentext) darauf hingewiesen werden muss, dass die Vorlage einer elaborierten historischen Biografie Walter Hollitschers1 sowie einer vollständigen Bibliografie seiner Arbeiten2 unbedingte Desiderate der leider nur zu oft diverse Moden bedienenden Forschungslandschaft Österreichs darstellen. Es ist der prinzipielle Zugang Hollitschers zu Problemen der natürlichen und menschlichen „Welt“ (in dezidiert philosophischem Sinn), der von Interesse ist und, utilitaristisch gesprochen, die Beschäftigung mit seinem Denken zu einem lohnenden Unterfangen macht. Die zunehmende Komplexität der gesellschaftlichen Verhältnisse hat weitreichende Konsequenzen für die Notwendigkeit und die Wichtigkeit einer integrativen philosophischen, mithin weltanschaulichen Perspektive, deren Zielhorizont weniger darin liegt, „Sinn“ zu stiften, sondern vielmehr das Moment der Einheit in der Vielheit herauszuschälen und argumentativ abzusichern.
Diese Gewinnung und Verteidigung einer Perspektive des materialistisch fundierten „Gesamtzusammenhangs“3 (Friedrich Engels) zieht sich als allgemeiner Entwicklungsgedanke durch das gesamte Denken und wissenschaftliche Ouevre Walter Hollitschers. Geboren am 16. Mai 1911 in Wien, wurde der Remigrant Hollitscher nach politisch erzwungenem Exil in England während der Zeit des deutschen Faschismus vom akademischen Wissenschaftsbetrieb in Österreich in der für dieses Land nicht untypischen Art nahezu vollkommen ignoriert, zu selteneren Gelegenheiten als „Paradekommunist“ und „Schreibtischbolschewik“ verunglimpft und im besten Fall als bloßer „Populisator“ naturwissenschaftlicher und gesellschaftstheoretisch- philosophischer Fragen angesehen – letzteres eine Ansicht, die in der ohnehin recht schmalen Literatur zu seinem Werk auch heute noch vereinzelt anzutreffen ist4. Dem gegenüber steht die (zutreffende) Auffassung Josef Rhemanns, wonach sich das intellektuelle Lebenswerk Hollitschers nur „als Versuch einer enzyklopädischen Darstellung des Weltbildes der modernen Human-, Sozial- und Naturwissenschaften auf der allgemeintheoretischen Grundlage der materialistischen Dialektik“5 begreifen lasse.
Der jüngst verstorbene Hans Heinz Holz nimmt diesen „Enzyklopädie“-Gedanken bei und für Hollitscher produktiv auf und stellt ihn in Relation zum Gesamtkonzept dessen Philosophierens: So ist Hollitscher für ihn, Holz, neben dem in Österreich weitgehend unbekannten italienischen Philosophen Ludovico Geymonat (1908- 1991) nicht nur „der Einzige von den Schülern Schlicks im Wiener Kreis, der von da aus den Weg wieder zum Gesamtkonzept einer Philosophie gefunden hat“6. Diese Interpretation verfolgte bereits Jörg Schreiter in seiner Schrift Zur Kritik der philosophischen Grundposition des Wiener Kreises7. Holz geht einen Schritt weiter. Die dezidierte Vorbildfunktion von Friedrich Engels‘ Bestimmung der marxistischen Dialektik als einer „Wissenschaft des Gesamtzusammenhangs“ und die daraus resultierende Konsequenz eines Verständnisses von Philosophie als einer – im strengen Sinn – „wissenschaftlichen Weltanschauung“, die „die empirischen Möglichkeiten menschlichen Erfahrungswissens im Hinblick auf das Ganze, auf die Kategorie Totalität überschreitet“, stehe, so Holz, „über dem gesamten Lebenswerk“ von Walter Hollitscher8. „Enzyklopädie“ bedeutet in dieser Begrifflichkeit nicht mehr etwa bloße Sammlung von Einzeldaten, sondern verweist bereits implizit auf einen Aspekt darüber hinaus. Natur- und gesellschaftswissenschaftliche Erkenntnisse sollen, wie Rhemann richtig feststellt, „auf der methodischen Grundlage der materialistischen Dialektik und der philosophischen Theorie eines materiell einheitlichen Weltzusammenhanges integrativ verknüpft werden“9. Nicht anders hat Walter Hollitscher selbst seine philosophische Agenda verstanden. Hubert Laitko gebührt das Verdienst, die Berliner Personalakte Hollitschers (aus dessen Zeit als Ordinarius für Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben10. In aufschlussreichen Worten entwirft Hollitscher darin in einer kurzen Selbstbeschreibung sein wissenschaftliches und philosophisches Programm:
„Heute, im Alter von 38 Jahren, bin ich von der Wissenschaft und der wissenschaftszugewandten Philosophie ebenso fasziniert, wie ich dies als kleiner Junge war, dem es nach der Lektüre von Humboldts Kosmos zum ersten Mal klar wurde, dass man die Welt verstehen und auf Grund seiner Einsichten rational und human handeln könne. […] Meine Haupttugend (und zugleich mein Hauptlaster) ist eine unstillbare wissenschaftliche Neugierde – von der Kosmologie über die Biologie zur Geschichte und Psychologie treibt mich ein brennendes Interesse zu erfahren, was man weiß, forscht und künstlerisch schafft. Da ich zum Allgemeinen tendiere, nicht zum Selbstbetrug neige und merke, wenn ein Gedanke der Klärung bedarf, habe ich philosophische Begabung. So hoffe ich, dass es mir gelingt, zu einem Philosophen im modernen Sinn des Begriffes zu werden: zum Spezialisten der klärenden Synthese im Bereiche der Wissenschaften; zum geistigen Handlanger bei der Schaffung des modernen Weltbildes – eines Bildes, das der dialektischen Einheit der Welt gewahr wird und der humanistischen Verpflichtung, die in dieser Einheit beschlossen ist: dem friedlichen Fortschritt zu dienen.“11
Es ist die Frage der Einheit der Welt, die Hollitscher im Zentrum seines Denkens beschäftigt und mit der er an die großen Entwürfe der Philosophiegeschichte anknüpft, ganz im Sinne der „Metaphysik“ seit Aristoteles nach der Wesenheit und dem Grund der Dinge frägt und damit auf jene Grunddimension einer ganzheitlich strukturierten Welt abzielt, die sich nicht im Rückgriff auf die „sinnliche Gewissheit“ (Hegel) beantworten lässt. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden ein bruchstückhafter Einblick in einige Aspekte von Hollitschers Denken gegeben werden, das eine produktive Verbindung von Natur- und Geisteswissenschaften als unerlässlich begreift und immer auch die politische Immanenz eines solchen Denkens betont, das kein Selbstzweck ist, sondern als menschliches Denken immer dem menschlichen Fortschritt dient. Das Junktim von Wissenschaftlichkeit und Fortschrittsdenken zerfällt bei Hollitscher eben nicht, da er Philosophie niemals als Formaldisziplin sui generis begreifen will, wie dies in der Konstitution eines nur vermeintlich a-politischen Wissenschaftsideals der Gegenwart so gerne praktiziert wird.
Der Ausgang: Hollitschers Verständnis von dialektischem Materialismus
In seinem opulenten Werk Die Natur im Weltbild der Wissenschaft, in dritter Auflage 1965 erschienen, gewährt Hollitscher einen systematischen Einblick in sein Verständnis von marxistischer Philosophie. Die von Marx und Engels auf genuin materialistischer Grundlage entwickelte Naturdialektik sei demnach ein fundamentaler „Wendepunkt“12 innerhalb der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte und damit verbunden auch eine „radikale Wendung in der bisherigen Naturauffassung“, indem nun nämlich „in direkter oder indirekter Weise alle Auseinandersetzungen über das Wesen der Natur durch die Existenz der marxistischen Naturdialektik bestimmt“ wären13. Ganz dem Leninschen Diktum folgend, betrachtet auch Hollitscher dabei das Marxsche Verhältnis zum Erbe der vorangegangenen deutschen Philosophie mit ihrer „Vollendung“ im Denken Hegels, der englischen politischen Ökonomie und des französischen Sozialismus als grundlegend und kehrt den Aspekt ihrer produktiven Aneignung hervor, der schließlich zur Entwicklung einer eigenständigen materialistischen Position durch Marx und Engels führen sollte14. Bei dieser „kritisch-revolutionären Übernahme des Erbes“, so Hollitscher, „traten an die Stelle der erwähnten drei Quellen des Marxismus drei grundlegend neue Bestandteile: der dialektische Materialismus, die marxistische politische Ökonomie und der wissenschaftliche Sozialismus“15.
Die hier zum Ausdruck kommende philosophische Grundposition Hollitschers geht vom „materiellen Charakter“16 der Welt aus – „sie [die materialistische Deutung der Welt, M.K.] begreift die Materie als das Ursprüngliche (Primäre) gegenüber dem Bewußtsein, das abgeleitet (sekundär) ist, und sie lehrt die fortschreitende Erkennbarkeit der Welt“17. Die Bewusstsein-Sein-Spezifik bzw. die von Hollitscher in seiner Rezeption der philosophischen Fundamente des Marxismus angebotene Antwort auf die Problematik konstituiert dergestalt ein spezielles Feld seiner anthropologischen Auseinandersetzung, auf das später noch näher eingegangen wird. Von zentraler Bedeutung in diesem Kontext erscheint die von ihm verfolgte Gegenüberstellung zwischen dialektischem Materialismus und idealistischen Positionen. Während letztere „leugnen, daß die Erscheinungen verschiedene Formen der sich bewegenden Wirklichkeit darstellen“ und somit in „Widerspruch mit den Ergebnissen aller in der Praxis erprobten Wissenschaft“ kämen18, anerkennt ersterer „als Ergebnis aller Wissenschaft, daß die Natur das Ursprüngliche, Primäre, Bewußtseinsunabhängige ist“19.
Als mögliche (philosophische) Begründung dieser materialistischen Position kann daher nicht eine bloße Reduktion alles Seienden auf messbare, physikalisch-technische Größen und, in weiterer Konsequenz, auf bestimmte Naturgesetzmäßigkeiten dienen; diese Begründung ist vielmehr in der Perspektive einer Unlösbarkeit von diesen Gesetzmäßigkeiten und der philosophischen Begründung dieser Unlösbarkeit zu gewinnen20. In bewusster Vereinfachung: der „Gesamtzusammenhang“ des Naturgeschehens ist dem menschlichen Erkennen ja empirisch nicht gegeben, er liegt gegenständlich nicht vor, auch nicht im einzelnen Objekt, das – mit Hans Heinz Holz – selbst nur „ein künstliches Abstraktionsprodukt diairetischer Verfahren der erkenntnistheoretischen Reflexion“ ist21. Die neue philosophische Qualität des dialektischen Materialismus erschließt sich für ihn wortmächtig darin, zu theoretischen Aussagen vorstoßen zu können, ohne „eine besondere philosophische ‚Überwissenschaft‘ zu sein, ein fix und fertiges System, in dessen Prokrustesbett die Natur durch Strecken und Stauchen hineingezwungen wird“22. Demgemäß ist es auch die spezifische Aufgabe einer marxistischen Theoriebildung, eine „wirklichkeitsgetreue Verallgemeinerung der Ergebnisse der Naturwissenschaften mit Hilfe der dialektischem Methode“ zu vollziehen, wobei das so zu konstatierende „Allgemeine […] nicht ‚über‘ oder ‚unter‘, sondern in der Wirklichkeit zu finden“ sei23.
Im Zentrum dieser theoretischen Reflexionen steht hier eine bestimmte Auffassung von Dialektik, deren Grundkonzeption von Friedrich Engels im Anti-Dühring als Wissenschaft „von den allgemeinsten Gesetzen aller Bewegung“24 vorgestellt wurde: „Es ist hierin eingeschlossen, daß ihre Gesetze Gültigkeit haben müssen für die Bewegung ebensosehr in der Natur und der Menschheitsgeschichte, wie für die Bewegung des Denkens.“25 Naturdialektische Grundsätze sind demnach auch qua definitionem nicht formal-logische Verfahren oder einfache Naturgesetze, wie sie von den Einzelwissenschaften erarbeitet werden. Unter ihnen versteht Hollitscher in seinem Aufsatz Philosophie und Naturwissenschaften nichts weniger als „durch die Wirklichkeit nahegelegte höchst allgemeine Forschungshaltungen, welche sich an neuen synthetischen Leistungen zu bewahrheiten und bewähren haben“26. Als die drei Hauptthesen marxistischen Philosophierens fungieren, ausgehend von dieser umfassenden Bestimmung der Dialektik der Natur, darum die „Realität der Außenwelt, die von ihrer wissenschaftlichen Erkennbarkeit und schließlich die vom sekundären Charakter der psychischen und geistigen gegenüber den sie bedingenden materiellen Vorgängen in der Welt“27.
Orientierungspunkt dieser materialistischen Dialektik bleibt auch für Hollitscher der Begriff einer ganzheitlich strukturierten Natur. Erst vor diesem Hintergrund kann die ontologische Dimension der Dialektik entfaltet werden und „den Zusammenhang, die ständige Bewegung, den qualitativen Wechsel, das widersprüchliche Wesen“28 dieser sich entwickelnden Natur konzis darstellen. Da die Natur eben als ein „zusammenhängendes, einheitliches Ganzes“ aufzufassen ist, könne die Dialektik in den von Hollitscher zitierten Worten Engels‘ aus dem Anti-Dühring „die Dinge und ihre begrifflichen Abbilder wesentlich in ihrem Zusammenhang, ihrer Verkettung, ihrer Bewegung, ihrem Entstehn und Vergehn“29 begreifen. Dieser Schritt ist nur zu setzen, wenn „Natur“ nicht als statische Entität, sondern als dynamisch-reflexiver Begriff entfaltet wird, der nicht „in dauernder Unbeweglichkeit und Unveränderlichkeit beharrt, sondern […] ewige Bewegung, Veränderung und Entwicklung“30 impliziert und zur „Wesenseigenschaft der Materie“31 selbst macht. Die für das Dialektik-Konzept entscheidende Kategorie der Entwicklung bedeutet für Hollitscher „ewiges Emporsteigen von Neuem und Vergehen von Altem, Überlebtem. Der Zusammenhang der Materie, das gegenseitige Aufeinanderwirken der materiellen Gebilde und deren Teile – dies eben ist materielle Bewegung.“32 Eine solche materielle Bewegung vollzieht sich jedoch nicht allein als „Denkoperation“, sondern muss als real gesetzt angesehen werden: Dialektik als Realdialektik33.
Hollitscher und Engels‘ Dialektik der Natur
Hollitscher bezieht sich, an diesem Punkt angelangt, mehrfach auf Engels‘ Schrift Dialektik der Natur, wonach die Materie „undenkbar ist ohne Bewegung“34 und „die gesamte Natur, vom Kleinsten bis zum Größten, von den Sandkörnern bis zu den Sonnen, von den Protisten bis zum Menschen, in ewigem Entstehen und Vergehen, in unaufhörlichem Fluß, in rastloser Bewegung und Veränderung ihr Dasein hat“35. Diese Bewegung charakterisiert Hollitscher in seinem Werk Die Natur im Weltbild der Wissenschaft insofern als objektiv, als sie eine „objektive Entwicklungsrichtung“36 aufweist. Zudem ist sie für ihn kein „bloß quantitativer Wachstumsprozeß“37 – zu bestimmten „Knotenpunkten“ (so seine Formulierung) finde „ein sprunghafter Übergang zu neuer Qualität, zu neuer Verhaltensgesetzmäßigkeit des zur Entwicklung gekommenen Gebildes“ statt38. Der hier zur Entfaltung kommende Begriff der „Negation“ bzw. in weiterer Folge der „Negation der Negation“ verweist auf den Kern des philosophischen Konzepts der Dialektik und wird solcherart „die für jeden Entwicklungsvorgang spezifische Form der geschichtlichen ‚Aufhebung‘ (d. h. Beendigung, Konservierung, Höhertragung), durch welche qualitativ Neues, Entwickelteres entsteht“39. Der qualitative Sprung von einem Modalbereich in einen anderen wird innerhalb des materiellen Seins verankert, bildet jedoch für Hollitscher keine mechanische, sondern wiederum eine dialektische Kategorie und wird solcherart zum Moment der Naturphilosophie selbst. Als sprunghafter, plötzlicher Übergang (gemessen an der Gesamtdauer des Entwicklungsprozesses im Ganzen) erzeugt er erst die „Einheit von evolutionärer Wachstums- und revolutionärer Umbildungsphase“40, in deren Widerstreit „Entwicklung“ überhaupt erst generiert wird. Hollitscher:
„In jedem materiellen Gebilde wirken innere Widersprüche, alte und neue, überlebte und sich entwickelnde Seiten. Durch ihren Gegensatz und Kampf wird das Umschlagen der quantitativen in qualitative Veränderungen bewirkt. Der dialektische Grundsatz vom Widerspruch spiegelt also eine doppelseitige Beziehung innerhalb der wirklichen Gebilde wider: die Einheit der Gegensätze und ihre Wechselbeziehung, ihre Widersprüchlichkeit.“41
Die Widersprüche stehen dabei nicht isoliert zum Gesamtkomplex des Gebildes; sie sind vielmehr integraler und integrierender Bestandteil dessen und konstituieren erst die dialektische Einheit, an der „das Überlebte“ zerbreche und sich „das Neue, Höhere“ entwickle42. Dieser Kampf der Gegensätze stellt überhaupt erst den „inneren Gehalt jedes Entwicklungsprozesses“43 dar. Damit werden „Selbstbewegung eines Dings und Wechselwirkung zwischen den Dingen verständlich sowie der zu stets neuer Qualität fortschreitende Entwicklungsprozeß“44 als Ganzes. Unter „Dialektik“ wird hier also nicht ein wie auch immer geartetes heuristisches oder methodisches Prinzip verstanden. Es sei, so Hollitscher, nämlich ganz und gar unverzeihlich, „über diese Dialektik noch so zu sprechen, als sei sie eine primäre Angelegenheit sprachlicher Formeln“45; eine an dieser Stelle kaum verhohlene Spitze gegen das Programm der Frankfurter Schule und ihrer Epigonen, die sich zur Behauptung versteigen, dass „eine Dialektik der Natur unabhängig von gesellschaftlichen Bewegungen überhaupt undenkbar ist“46. Eine Dialektik, die sich allein auf die Geschichte und die Gesellschaft beschränkt, naturphilosophische Aussagen jedoch definitionsgemäß ausschließen will, steht umgekehrt für Hollitscher „in krassem, absurdem Widerspruch nicht nur zum marxistischen Naturbild, sondern auch zum Menschenbild des Marxismus“47. Letzteres ergebe sich daraus, dass innerhalb einer dialektisch-materialistischen Philosophie das Wesen des Menschen unerklärbar werde, wenn unbeachtet bleibt, aus welchem naturgeschichtlichen Zusammenhang und unter welchen konkreten Naturbedingungen er hervorgegangen sei48.
Hollitscher entwickelt an diesem Punkt seine Überlegungen weiter in Richtung einer allgemeinen Epistemologie, die er an den Entwicklungsbegriff koppelt und in Beziehung zu den Bewegungsgesetzen der materiellen Welt setzt49. Den argumentativen Ausgangspunkt bilden hier die aus dem philosophischen Nachlass von Lenin herausgegebenen Schriften Konspekt zu Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie sowie Zur Frage der Dialektik, wonach die Dialektik „im eigentliche Sinne“ nichts anderes sei als „die Erforschung des Widerspruchs im Wesen der Gegenstände selbst“50. Dieser „innere Widerspruch“ treibe nun
„in letzter Analyse die Gebilde der Wirklichkeit vorwärts, die in universellem Zusammenhang stehen, sich quantitativ wie qualitativ in bestimmter Richtung verändern, also entwickeln. Er ist allgemeinster und tiefster Beweggrund der Wirklichkeit. Diese ist eine einheitliche materielle Wirklichkeit, die objektiv, das heißt außerhalb und unabhängig vom menschlichen Bewußtsein, existiert, von diesem widergespiegelt wird und in zunehmendem Maße erkannt werden kann.“51
Damit wird die von Engels so genannte „subjektive Dialektik“52 (das dialektische Denken) zum Moment der objektiven Natur-Dialektik; die „objektive Dialektik wird durch die subjektive widergespiegelt“53 (Hollitscher). Die Erkenntnis der Natur durch den Menschen ist solcherart als eine Art Selbsterkenntnis der Natur zu lesen. Die Erkenntnis der Natur durch den Menschen ist in spekulativer Hinsicht zwar prekär (der Mensch kann die natürliche Welt als immanenter Teil derselben nie vollständig durchdringen), aber progressiv fortschreitend (in dem Maße etwa, wie die Naturwissenschaften zur Erklärung und Klärung der Natur-Phänomene beitragen). Gerade der Umstand des Hervorgehens des Menschen aus dem Naturzusammenhang garantiert nach Hollitscher auch die Fähigkeit zur adäquaten Natur-Erkenntnis: „Durch den arbeitenden und arbeitend-denkenden Menschen ist die Materie zum erstenmal instand gesetzt worden, sich selbst in adäquater Weise widerzuspiegeln.“54
Im Prozess der menschlichen, damit bewussten Naturaneignung findet die „objektive Dialektik der Natur“ somit ihre Entsprechung in einer „subjektive(n) Dialektik des wissenschaftlichen Arbeitens“55. Dies ist nicht in dem Sinn misszudeuten, wonach die Natur erst durch den Menschen zu sich selbst komme, hingegen als die „universelle Vermitteltheit des Singulären“ aufzufassen, dessen Charakteristik es ist, dass sie „selbst stets und in jedem Augenblick das Ganze ist, aber immer nur als die Vermitteltheit des Einzelnen erscheint“56. Im Prozess der menschlichen, bewussten Naturaneignung findet die „objektive Dialektik der Natur“ somit ihre Entsprechung in einer „subjektive(n) Dialektik des wissenschaftlichen Arbeitens“57. Die Willkür beim Festsetzen der Maßeinheit (in naturwissenschaftlichem Verständnis) steht eben nicht im Charakter einer reinen Beliebigkeit; sie wird – im Anschluss an Hegel – „korrigiert durch die in die Maßverhältnisse eingehenden Naturkonstanten“58. Die Korrelation zwischen objektiver und subjektiver Dialektik bleibt für Hollitscher die Voraussetzung, um eine philosophische Durchdringung der gesellschaftlichen Praxis wie der Natur im Allgemeinen leisten zu können; wer die objektive Dialektik leugne, der „vermag nicht Rechenschaft Rechenschaft davon zu geben, wie menschliche Naturbeherrschung gelingen könnte. Der Natur- wie der Gesellschaftsprozeß wird bei solcher Leugnung der Naturdialektik in gleicher Weise philosophisch unbegreifbar.“59
Der Zusammenhang ist selbst ein materieller, das heißt „ausserbewusst, bewusstseinsunabhängig, vom Bewusstsein widerspiegelbar und so in der Praxis ‚aneigenbar‘“60, wie Hollitscher in seinen Grundbegriffen der marxistischen politischen Ökonomie und Philosophie festhält; er ist, wiewohl materieller Natur, als menschliches Reflexionsverhältnis „stets vermittelt“61. Hollitscher nimmt hier abermals Anleihe bei Lenin und dessen Fragment Zur Frage der Dialektik, wo Lenin es als ultima ratio einer materialistischen Epistemologie (die gleichzeitig auch eine Ontologie sein muss) begreift, dass
„der gesamten menschlichen Erkenntnis überhaupt die Dialektik eigen ist. Die Naturwissenschaft aber zeigt uns […] die objektive Natur mit denselben Eigenschaften, Verwandlung des Einzelnen in das Allgemeine, des Zufälligen in das Notwendige, die Übergänge, das Überfließen, den wechselseitigen Zusammenhang der Gegensätze. Die Dialektik ist eben die Erkenntnistheorie (Hegels und) das Marxismus […].“62
Das Korrelationsproblem zwischen objektiver und subjektiver Dialektik ist als theoretische Fragestellung ersten Ranges innerhalb der materialistischen Dialektik-Konzeption zu begreifen und darf keineswegs als schlicht abbildhafte Widerspiegelungsoption missgedeutet werden63. Der von Marx/Engels beschrittene und von Hollitscher rezipierte Weg folgt ontologischen Fragestellungen (mit Heidegger ist man versucht, gar von fundamentalontologischen Überlegungen zu sprechen) und nicht etwa einem verqueren Mechanizismus, der die subjektiv-menschliche Seite des Widerspiegelungsaktes negiert. Hollitscher hat darauf in anderem Zusammenhang aufmerksam gemacht, wenn er die grundsätzliche Problematik der Erkenntnissituation im Kontext der Aufstellung von Allgemeinbegriffen bespricht. Die Realität des Allgemeinen muss auf materialistischer Grundlage positiv gelöst werden, wenn eine nichtempiristische philosophische Position aufgebaut werden soll. Hollitscher benennt das Problem – „Die Dialektik lehrt, daß bereits die Grundsituation des Denkens einen Widerspruch enthält: Das wiedererkannte Ding ist zugleich ‚dasselbe‘ und natürlich auch nicht dasselbe“64 – und ist sich im Klaren, dass bloße Induktion nicht ausreicht, um derartige Allgemeinbegriffe zu konstituieren. Diese „Begründungslücke“65 wird jedoch nicht, wie manche Kommentatoren meinen, unter Heranziehung historischer und entwicklungstheoretischer Überlegungen rein „pragmatisch“66 gelöst, sondern dezidiert philosophisch, indem die Abstraktionsfähigkeit des Menschen, wie sie nicht zuletzt durch die Herausbildung sprachlicher Kompetenzen zum Ausdruck kommt, selbst wieder als Naturverhältnis beschrieben wird67. Das hiermit verbundene Grundproblem der Begründung eines erkenntnistheoretischen Realismus wird von Hollitscher dahingehend gelöst, dass er diesen als Seinsverhältnis menschlicher Existenz begreift, eine transzendental-subjektivstische Wende im Sinne von Descartes „ego cogito“ hintan hält und auf die Ebene der materiellen Verfassung des Seienden zurückkehrt.
Eine umfassende Systematisierung dieses Ansatzes fehlt allerdings im Werk Hollitschers tatsächlich. Es erscheint aufgrund der grundlegenden Disposition des Welt-Mensch-Verhältnisses unmöglich, dass der Mensch jemals aus der Perspektive des Teilnehmers am Naturgeschehen heraustreten und gegenüber der Natur eine ganzheitliche Beobachterperspektive einnehmen kann. Das damit verbundene hypothetisch-spekulative Moment kann jedoch im Rahmen der dialektischen Widerspiegelungstheorie wieder auf materialistische Grundlage gestellt werden. Eine systematische Entwicklung dieses Gedankens ist bei Hollitscher jedoch, wie bereits erwähnt, ausständig geblieben; eine derartige umfassende Explikation erfährt das Problem, in produktiver Aneignung der unterschiedlichen Vorarbeiten, erst von Hans Heinz Holz in seiner bahnbrechenden Arbeit Dialektik und Widerspiegelung im Jahr 1983.
Determinanten einer materialistischen Anthropologie: Hollitschers Frage nach dem Menschen auf der Grundlage einer allgemeinen Naturphilosophie
In synthetischer Zusammenführung der Aussagen von dialektischem und historischem Materialismus entwickelt Hollitscher einen Begriff der Naturphilosophie – verstanden als „sich der Natur gegenüber in philosophischer Weise verhalten“68 – vor, dessen durchaus ehrgeiziges Ziel in der Erfassung der Welt in ihren mannigfaltigsten Bezügen zu sehen ist, die anthropologische Frage nach dem Menschen an prominenter Stelle inkludierend. Die naturphilosophische Position wird somit zum allgemeinen Bezugsrahmen eines anthropologischen Entwurfs; die anthropologische Position tritt nicht einfach im Sinne einer „Ergänzung“ zum Marxismus hinzu: „Das in Raum und Zeit unendliche, verändernde Weltall“, so Hollitscher, „ist Gegenstand der Untersuchung sowie die nach Quantität und Qualität bestimmte Materie einschließlich ihrer höchsten Entwicklungsformen: des Lebens, der Menschen, des denkenden Gehirns des vergesellschaftet arbeitenden Menschenwesens.“69
In seinen Vorlesungen zur Dialektik der Natur frägt Hollitscher nicht nur nach „Gegenstand und Nutzen der Naturdialektik“70, sondern unternimmt auch eine umfassende Problematisierung des Natur- und Welt-Konzepts hinsichtlich seiner philosophischen Bezüge und anthropologischen Konsequenzen. „Natur“ erweist sich in diesem Kontext als ein dreifach ausdifferenzierter Begriff. Zum einen bezeichnet Natur das übergreifende Sein im Sinne von „Welt“ oder auch „Universum“71 als materielle Grundstruktur alles Seienden und damit auch sachliche Grundlage für die Existenz einer Naturphilosophie: „Das ‚Inter-Esse‘, das wir an der Natur nehmen, dieses ‚Dabei-Sein‘, entspringt der Einsicht, daß wir ein Teil von ihr sind, daß, wenn sie abgehandelt wird, von unserer ureigensten Sache die Rede ist.“72 Zum zweiten versteht Hollitscher unter Natur das Andere des Menschen – in „diachroner, genetischer (die Natur war vor ihm da, er ist aus ihr hervorgegangen) als auch in synchroner (der Mensch steht der Natur und sie steht ihm gegenüber) Perspektive“73.
Diese letzte Bestimmung des Verhältnisses von Natur und Mensch setzt die Natur keineswegs nur als das schlichte Gegenüber der Menschheitsgeschichte. Der Mensch tritt nicht aus der Naturgeschichte heraus; in fortwährendem Austausch mit ihr auf den unterschiedlichsten Ebenen bleibt sie Grundlage, Bedingung und potentielle Möglichkeit seiner Existenz und Entwicklung. Im beständigen Austausch mit der Natur eignet sie sich der Mensch gleichzeitig an, im Prozess dieser Aneignung – und dies macht das Spezifikum menschlicher Entwicklung aus – gestaltet er sie und damit auch sich selbst um. Für Hollitscher meint die Kontrastierung von Mensch und Natur damit nicht, die Menschheitsgeschichte als etwas „Über-Natürliches“74 aufzufassen und zu postulieren, sie wäre „mit der Natur nicht aufs engste verbunden, nicht objektiv und in Raum und Zeit vorzufinden“75. Vielmehr geht es durch die Unterscheidung von Natur und Geschichte darum
„daß im Weltgeschehen eine für uns als Menschen höchst wichtige Stufe auftrat, als ein mit uns gattungsverwandtes Wesen, der Urmensch, ‚Geschichte zu machen‘ begann. Damit war der bisherige und sozusagen selbstvergessene Naturgeschichtsablauf im neuen Bereiche der Menschenwelt zu einer Art ersten und schwächlichen ‚Selbstbewußtsein‘ gelangt, damit begann eine Geschichte, die – zum Unterschied von der Natur – ‚gemacht‘ wird und ihre Akteure durch eben deren Aktionen selbsttätig verändert.“76
Der von Hollitscher entfaltete Natur-Begriff, der einerseits den Menschen als Teil der Natur begreift, andererseits auch auf die Gegenüberstellung von Mensch und Natur hinweist, verbindet damit die Einheit von Gleichzeitig-Ungleichzeitigem in einem dialektischen Prozess, wie er bereits in dem philosophiegeschichtlich berühmten Streitgespräch zwischen Aristoteles und Anaxagoras über das Wesen des Menschen angedeutet wird77. Laitko weist mit gehörigem Recht darauf hin, dass eine solche Einheit nur dann konsistent zu entfalten ist, wenn „die Selbstständigkeit des Menschen gegenüber der Natur als eine evolutionär entstandene, prozessuale und dabei stets relative, in der übergreifenden Abhängigkeit von der Natur verbleibende gedacht wird“78. Das hierbei einheitsstiftende Moment liegt in Hollitschers Gedanke von „Welt“ als übergeordneter naturphilosophisch- ontologischer Kategorie:
„Unter dem Wort ‚Welt‘ versteht man gemeinhin alles, was sich einmal ereignet hat; all das, was sich gegenwärtig ereignet, und all das, was sich weiterhin tatsächlich ereignen wird – also die beziehungsreiche Mannigfaltigkeit des materiellen ‚Weltgeschehens‘ in Natur und menschlicher Geschichte. Man begreift, daß dieses Weltgeschehen von objektiver Art ist, real stattfand, stattfindet und stattfinden wird, daß es in Raum und Zeit abläuft und eine Geschichte hat: die Natur- und Gesellschaftsgeschichte.“79
Der Naturphilosophie kommt die Aufgabe zu, eine Gesamtperspektive über die Probleme dieser Natur- und Gesellschaftsgeschichte zu erarbeiten und zu festigen. Es geht ihr „um eine Beurteilung der Natur und der Naturwissenschaft in ihrer Gesamtheit“80 und damit immer auch „um die Frage: welches Fazit beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft aus der Gesamtheit unseres Wissens um die Natur gezogen werden muß“81. Dieses Fazit drückt sich aus als „verallgemeinernde Kenntnis um Methoden und Ergebnisse der Naturwissenschaften; um Methoden, auf deren Weg man zur Erkenntnis der Natur gelangt“82, zusätzlich auch als die Offenlegung von Resultaten, die „den Gesamtbereich der Natur kennzeichnen, unsere naturwissenschaftliche Weltauffassung bestimmen und uns bei unserer praktischen Einwirkung auf die Natur als Leitprinzipien dienen“83. Aus dieser Forderung nach dem Ganzen ergibt sich auch die innere Systematik von Hollitschers philosophischem Werk. In einer diesbezüglichen Kennzeichnung in seinen Vorlesungen argumentiert er für die Logik eines fortschreitenden Aufbaues auf der Grundlage eines natur-historischen Entwicklungsprinzips84. Programmatisch geht es damit darum, „der ‚Entwicklungshistorie‘ jene […] Kontinuität zu geben, welche die tatsächliche Entwicklungsgeschichte gehabt hat“85. Nur so werde nämlich „der naturphilosophische Entwicklungsgedanke aus dem Bereich der Phrase zum real-wissenschaftlichen Mutterboden herabgezogen, dem er entstammt und den er zu befruchten mag“86. Vor diesem allgemeinen Hintergrund werden schließlich anthropologische Fragestellungen entwickelt und in das „materialistische Gesamtweltbild“ eingebracht87; eine Position, die zuletzt Holz in seiner Auseinandersetzung mit Helmuth Plessner nochmals mit Vehemenz verteidigt hat:
„Eine Anthropologie, die nicht von der Anmaßung ausgeht, die Welt vom Menschen her zu konstruieren, sondern sich bewusst bleibt, dass der Mensch ein Moment im Ganzen der ihn umfassenden Welt ist, wird von der Besonderheit der Stellung des Menschen in der Welt und folglich vom Verhältnis des Menschen zur Welt auszugehen haben.“88
In diesem Sinne versteht auch Walter Hollitscher seine Frage nach dem Menschen. In seinem auf die anthropologische Verfasstheit des menschlichen Seins gerichteten Philosophieren geht es ihm immer darum, einerseits den Hervorgang (das „Herausarbeiten“) des Menschen aus der Natur zu begreifen, ihn jedoch andererseits nie anders als zum übergreifenden Allgemeinen der Natur gehörig zu betrachten. Der Dualismus Leib-Seele/Körper-Geist (bzw. der Dualismus von res cogitans und res extensa) stellt den wesentlichen Anstoß für die Entwicklung von Hollitschers philosophischer Anthropologie dar; die Überwindung dieses Dualismus und des sich aus ihm ergebenden Problems der unlösbaren Dichotomie von Realismus und Idealismus bildet den programmatischen Bezugspunkt, auf den sein anthropologisches wie philosophisches Denken gerichtet bleibt.
Hollitscher bewegt sich hier innerhalb eines Problemhorizonts, der genau dieses (dialektische) Verhältnis des Menschen zur Natur zum elementaren Gegenstand einer jeden materialistischen Anthropologie macht. Diese gewinnt ihre spezifische Position eben nicht aus einer Gegenüberstellung von Mensch und Natur, sondern aus der – um mit Plessner zu sprechen – exzentrischen Position des Menschen innerhalb der Natur selbst. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Hollitscher das Werk Plessners rezipiert hätte89, jedoch finden sich teils beachtliche Gemeinsamkeiten in dem Bemühen, das dualistische Paradigma in der Deutung des Menschen zu überwinden und die Einheit der beiden Aspekte der menschlichen Existenz, eines biologischen und eines geistigen, aus einem einheitlichen, materiellen Naturprinzip heraus zu deuten. Das reflektierende Subjekt ist nicht das „Gegenteil“ einer objektiven Situation, in die es geworfen wurde – diese dem klassischen Erkenntnismodell entspringende Subjekt-Objekt-Dualität genügt für Plessner eben nicht, weil „bloße Korrelation von Erleben und Gegenstand nicht die innerliche Verschmelzung der entgegengesetzt bleibenden Momente von Subjekt und Objekt herbeiführt, so daß das reine Subjekt aus sich selbst allein das Objekt und umgekehrt das Objekt das Subjekt mitsetzte. […] Denn Ich und Gegenstand sind nur die (asymptotisch zu setzenden) Grenzen jenes ungetrennten aktuellen Beziehens, das, im Ganzen genommen, die gegebene Tatsache des Erlebens ausmacht […].“90
Die Frage nach dem Menschen erscheint vor diesem Hintergrund als „Regionalontologie“ menschlichen Seins, das als besonderer Teil der Natur doch immer Teil der Natur bleibt. Die Stellung des Menschen innerhalb einer naturdialektisch aufgefassten Einheit der Welt nimmt darum auch einen zentralen Stellenwert in Hollitschers philosophischem und publizistischem Schaffen ein. Hollitscher fasst „Anthropologie“ nicht als neue Grundlagenwissenschaft auf, sondern als Teilgebiet einer „Dialektik der Natur“ im Allgemeinen. Der Mensch ist eben nicht ein einfaches Glied in der Kette der mannigfaltigen und in dieser Mannigfaltigkeit prinzipiell unbegrenzten Seienden, wie Heidegger in seiner Schrift Was ist Metaphysik? richtig, wenngleich mit nur schwer ertragbarem Pathos feststellt: Denn „einzig der Mensch unter allem Seienden erfährt, angerufen von der Stimme des Seins, das Wunder aller Wunder: Daß Seiendes ist […]. Aber das Sein ist kein Erzeugnis des Denkens. Wohl dagegen ist das wesentliche Denken ein Ereignis des Seins.“91 In produktiver Verbindung der einzelwissenschaftlichen Forschung im Gebiet der Biologie, Psychologie, Humananthropologie oder Kognitionsforschung mit übergreifenden Fragen der Naturphilosophie verfolgt Hollitscher ein Programm, das sowohl die Gattungseigenschaften des Menschen darstellen wie auch die besondere Konstitution des Menschen als (geschichtlich bedingter) Teil des Naturganzen offenlegen soll. Eine Anthropologie, die den Menschen aus dem Gegensatz von Mensch und Welt begreift und damit eine Schranke zwischen Anthropologie und Naturphilosophie errichtet, verfehlt die innere Einheit der materiellen Welt und muss zwangsläufig zur subjektivistischen Wendung der Frage nach dem Menschen und die Verankerung der Seinswahrheit im Dasein einleiten, wie sie Heideggers Existentialontologie innewohnt. Im Band „Mensch – Natur“ verdichtet Hans Heinz Holz aus diesen Grund den Gegenentwurf einer dialektisch-materialistischen Anthropologie auf vier Hauptthesen:
„Erstens: Die gegenständliche Tätigkeit ist das universelle Seinsverhältnis […]. Zweitens: Die in der Sinnlichkeit und ihrer Systematik sich realisierende Rezeptivität des Menschen, sein passives Aufnehmen der Einwirkungen, wird gemäß der Handlungsrichtung als ‚Leiden‘ (passio) bezeichnet. […] Drittens: Die menschliche gegenständliche Tätigkeit hat folgende miteinander verknüpfte Eigentümlichkeiten: a) Sie beruht auf der Unterscheidung von Einzelheit und Allgemeinheit und kann darum Erfahrung in Wissen überführen. Diese Leistung ist eng mit der Sprache verbunden. b) Menschliche Tätigkeit nutzt zur Erfüllung von Zwecken zwischengeschaltete Mittel und stellt diese her. […] Viertens: Aus dieser kursorischen Beschreibung der Parameter des Mensch-Welt-Verhältnisses folgt die systematische Einheit von Anthropologie, Geschichtsphilosophie und Gesellschaftstheorie. […]“92
Abschließende Würdigung: Hollitschers Beitrag zur marxistischen Theorieentwicklung
Walter Hollitschers gesamtes Werk ist dem Programm verschrieben, die dialektisch-materialistische Position des Marxismus philosophisch-argumentativ zu untermauern. Dass er hierbei der Diskussion und Rezeption naturwissenschaftlicher Theorien, Einsichten und Problemen breiten Raum zumisst, steht nicht etwa im Gegensatz zu diesem normativen Hintergrund – die Bindung der Philosophie als allgemeinster Wissenschaft an die Einzelwissenschaften ist für Hollitscher mehr als ein rein heuristisches Desiderat, sie ist die einzige Möglichkeit für das Gelingen einer Philosophie auf materialistischer Grundlage. Nur in diesem wissenschaftlichen Wechselverhältnis kann das methodische Instrumentarium entwickelt werden, um Natur und Geschichte bzw., in der Terminologie Hollitschers, Natur- und Kulturgeschichte als fundamental zusammenhängend zu begreifen und die Anthropologie damit auf eine tragfähige ontologische Basis zu stellen. Hollitscher, der den Begriff der Ontologie meidet und unter „Metaphysik“ ein Synonym für die scholastische Schulphilosophie versteht, hat dies implizit mitbedacht, jedoch niemals ausformuliert. Nun kann aber auf eben diese systematische Explikation einer Ontologie nicht verzichtet werden, weil nur sie „die Seinseinheit der Welt“, den „Zusammenhang der Welt“ (Nicolai Hartmann) denkbar macht93. Es läuft einer materialistischen Position nicht zuwider, ontologische Fragestellungen zu formulieren – im Gegenteil: Es gilt, das spekulative Moment einer jeden Ontologie (bedingt durch die Tatsache, dass sie zwar vom Sein spricht, jedoch dabei immer in der Perspektive des Seienden „gefangen“ bleibt) materialistisch zu deuten und im Sinne einer dialektischen Reflexionstheorie auf eine naturgeschichtliche Grundlage zu stellen. Holz formuliert das Programm einer solchen materialistisch fundierten Reflexion darum wie folgt:
„In der Bestimmung des Verhältnisses des metaphysischen Denkweise […] zur Dialektik liegt demgemäß der wissenschaftstheoretisch-methodologische Aspekt einer allgemeinen Dialektik der Natur. Dieser ist jedoch nur das erkenntnistheoretische Äquivalent der ontologischen These, daß die Vielheit der Seienden eine geordnete Menge, eine Welt ist, daß die Kategorie Totalität mithin den realen Gesamtzusammenhang ausdrückt, dessen Idee nicht induktiv, sondern konstruktiv gewonnen wird. Die Seinsverfassung der Gegenstandsbereiche der Natur selbst, wie sie sich in der kategorialen Bestimmtheit naturwissenschaftlicher Theorien niederschlägt, ist nur im Hinblick auf die Struktur des Gesamtzusammenhangs, auf ihre Vermitteltheit mit diesem und auf ihre Besonderung ihm gegenüber abbildbar und spiegelt sich darum in dem Gehalt von einzelwissenschaftlichen Theorien.“94
Hiermit verbunden ist die Aufgabe, die (wenn auch objektive) Verabsolutierung des Subjekts im Sinne von Hegels Phänomenologie des Geistes zu vermeiden – eine derart verstandene dialektisch- materialistische Ontologie als Qualität innerhalb des „Gesamtzusammenhangs“ von „Welt“ entwirft eine Strukturbeschreibung des Verhältnisses von Sein und Bewusstsein, das nicht nur naturgeschichtlich vermittelt ist, sondern in dieser naturgeschichtlichen Vermittlung zugleich gesellschaftlich (da es sich ja um ein menschliches Verhältnis handelt – nur so kann aus Sicht des Autors im Übrigen die von Odo Marquard benannte Aporie von Geschichtsphilosophie und Anthropologie umgangen werden95). Das entscheidende Problem hierbei ist, die materielle Mannigfaltigkeit der Welt nicht zu einer bloßen Erscheinung herabzusetzen. Das einheitsstiftende Moment muss im Rahmen eines allgemeinen Entwicklungsgedankens gesehen werden, der das Prinzip der Einheit (der Vielen) wiederum in der Materialität selbst verortet. Hollitscher erkennt das Problem vollkommen richtig und verteidigt mit Nachdruck dieses Entwicklungsprinzip. Er bricht jedoch in gewisser Weise auf halber Stelle ab und gelangt nicht zu einer weiteren, systematischen philosophischen Erörterung. Denn das Erfordernis einer dialektischen Ontologie besteht eben genau darin, die Entwicklungskategorie, das Prinzip der Einheit der Vielen, am Einzelnen selbst nachzuweisen, das in einem reflexiven Verhältnis mit dem „Gesamtzusammenhang“ steht. Eine dialektisch-materialistische Konstruktion dieses Gesamtzusammenhangs kann in diesem Sinne nur durch ein System der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur gebildet und argumentiert werden; die zentrale Kategorie dieses Reflexionsverhältnisses ist das Widerspiegelungstheorem.
Auch Hollitscher fasst im Gefolge Lenins die Widerspiegelung als genuin menschliche Bewusstseinsleistung und zentral für die gesamte Struktur des menschlichen Erkenntnisprozesses: nur der Mensch „vermag die Wirklichkeit begrifflich widerzuspiegeln“96. Jedoch scheint er sich selbst unschlüssig zu sein, welche besondere Qualität hier vorliegt. Tatsächlich verschiebt sich etwa in seinem Aufsatz Widerspiegelungsprobleme die Problematik weg vom reflexiven Gehalt der Struktur der Widerspiegelung und hin zu einer funktionellen Auffassung der „Reizbarkeit von Materie“97. Hollitscher scheint hier nicht den Schritt weg von seiner intellektuellen Herkunft, den philosophischen Dispositionen des Wiener Kreises, insbesondere des Logischen Empirismus, gewagt zu haben98. So entwirft er etwa in der Vorbemerkung zu seiner 1947 veröffentlichten (philosophischen) Dissertation „Über die Begriffe der psychischen Gesundheit und Erkrankung“ ein methodologisches Motiv, das „auf Allgemeineres“ abzielen sollte: Er wolle nämlich „eine wissenschafts-logische – oder, wenn man will, naturphilosophische – Methode illustrieren, die dem heutigen Stande des Wissenschaftstreibens entsprechen soll. Also eine Methode der Begriffsanalyse und -klärung, die zugleich wissenschaftszugewandt ist und die Arbeitsweise der modernen Logik zu Rate zieht.“99
Ganz in diesem Sinne wird er auch in seiner Vorlesung am Institut für Wissenschaft und Kunst 1946/47, Vom Nutzen der Philosophie und ihrer Geschichte, das Programm seiner Philosophie als „Logik, Methodenlehre und Grundlagenforschung“ entwerfen100. Dass hiermit jedoch nicht die von Marx und Engels gestellte „Grundfrage der Philosophie“, also die Frage nach dem Verhältnis von Sein und Bewusstsein stringent zu beantworten ist und dass sich Hollitscher der hier innewohnenden philosophischen Problematik (nicht zuletzt für die Konzeption einer einheitlich-materiellen Wirklichkeit unter Einschluss des Menschen) bewusst war, davon zeugen eine Vielzahl von Bemerkungen. So schreibt er selbst in den dezidiert „gemeinverständlich“ gehaltenen Grundbegriffen der marxistischen politischen Ökonomie und Philosophie, dass „Materie und Bewegung miteinander unlösbar verbunden sind, die letztere die ‚Daseinsweise‘ der ersteren ist“101. Der Bewegungsbegriff müsse hier als „allgemeine philosophische Kategorie“ verstanden werden, die eben nicht nur die Ortsveränderung umfasse, sondern „jegliche Form der Veränderung“102. Von hier aus ist es nur noch ein Schritt zur dialektisch-ontologischen Fundierung des Reflexionsverhältnisses selbst.
Fußnoten
0 (Die Natur im Weltbild der Wissenschaft, S. 94)
1 Die Zeit, als auch der Marxismus den Status einer Modeerscheinung beanspruchen durfte und die Beschäftigung mit marxistischen Inhalten bzw. historischen Persönlichkeiten der österreichischen Arbeiterbewegung noch nicht als „gestrig“ abgetan wurde, scheinen jedenfalls endgültig vorüber. Bis heute fehlen nicht nur einschlägige Biografien über die politischen Führungspersönlichkeiten der Kommunistischen Partei Österreichs wie etwa Johann Koplenig, sondern auch einschlägige Untersuchungen zu Leben und Werk der führenden Intellektuellen der Partei (neben Walter Hollitscher seien hier nur Eva Priester – mit der Ausnahme eines biografischen Aufrisses von Claudia Trost aus dem Jahr 2000 sowie einer an der Universität Innsbruck verfassten Diplomarbeit von Eva Holzknecht aus dem Jahr 1986 – oder Ernst Wimmer zu nennen). Ausnahmen stellen in diesem Zusammenhang einzelne Arbeiten zu Eduard Rabofsky (an erster Stelle: Oberkofler, Gerhard: Eduard Rabofksy (1911-1994). Jurist der Arbeiterklasse. Eine politische Biographie. Innsbruck 1997) sowie vor allem zu Person und Werk von Ernst Fischer dar (zuletzt: Baryli, Sebastian: Zwischen Stalin und Kafka. Ernst Fischer von 1945 bis 1972. Dipl.-Arbeit. Wien 2006).
2 Eine vollständige Bibliographie aller selbstständigen und unselbstständigen Publikationen Walter Hollitschers liegt nicht vor und wird angesichts der weiten Streuung der Publikationsorte wohl noch längere Zeit auf sich warten lassen. Eine erste Aufnahme der Werke wurde von Willi Weinert für den die Beiträge des Hollitscher-Symposiums der Alfred Klahr-Gesellschaft versammelnden Tagungsband Zwischen Wiener Kreis und Marx (2001) angefertigt (S. 146ff.).
3 Engels, Friedrich: Herrn Eugen Dührung‘s Umwälzung der Wissenschaft. In: Karl Marx/ Friedrich Engels – Werke. Band 20. Berlin (O) 1962, S. 1-303 [Kurzbezeichnung: MEW 20], hier S. 24f.
4 Vgl. etwa Wittich, Dieter: Walter Hollitscher als Interpret und Populisator wissenschaftlicher Prozesse. Feststellungen und Gedanken zu seinem Leben und Werk – unter besonderer Beachtung seiner Jahre in der frühen DDR. In: Zwischen Wiener Kreis und Marx. Walter Hollitscher (1911-1986). Hg. von der Alfred Klahr Gesellschaft. (= Alfred Klahr Gesellschaft, Quellen & Studien, Sonderband 2). Wien 2003, S. 15-44.
5 Rhemann, Josef: Walter Hollitscher (1911-1986). In: Benedikt, Michael/Knoll, Reinhold/ Zehetner, Cornelius (Hg.): Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung. Band V: Im Schatten der Totalitarismen. Vom philosophischen Empirismus zur kritischen Anthropologie. Philosophie in Österreich 1920-1951. Wien 2000, S. 1012-1021, hier S. 1012.
6 Holz, Hans Heinz: Walter Hollitscher – Vom Wiener Kreis zu Marx. In: Zwischen Wiener Kreis und Marx, S. 9-14, hier S. 10.
7 Vgl. Schreiter, Jörg: Zur Kritik der philosophischen Grundpositionen des Wiener Kreises. (= Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie, Bd. 82). Berlin 1977, S. 13ff.
8 Holz: Walter Hollitscher, S. 10.
9 Rhemann: Walter Hollitscher, S. 1016.
10 Hollitscher trat 1949 eine zunächst auf ein Jahr begrenzte Professur mit vollem Lehrauftrag für Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität an. Nach einem Jahr wurde diese Befristung aufgehoben und in eine ständige Professur umgewandelt. 1951 erhielt Hollitscher schließlich die Professur für den neu eingerichteten Lehrstuhl für Logik und Erkenntnistheorie. Unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen wurde er 1953 (wohl auf Betreiben der sowjetischen Administration) inhaftiert und wenig später nach Österreich ausgewiesen. 1965 ernannte ihn die DDR schließlich zum ordentlichen Gastprofessor für philosophische Fragen der Naturwissenschaften an der Karl-Marx- Universität Leipzig, wo er nun jedes Jahr einige Monate verbrachte. Vgl. Wittich: Walter Hollitscher als Interpret und Populisator, S. 18f. sowie zuletzt: Rau, Hans-Christoph: Verdächtigt. Gedemütigt. Ausgewiesen. In: Neues Deutschland, 14.5.2011, S. 23.
11 Zit. nach Laitko, Hubert: Walter Hollitschers Konzept der Naturdialektik: Die Berliner Vorlesung im Kontext seiner intellektuellen Biographie. In: Zwischen Wiener Kreis und Marx, S. 75-130, hier S. 76.
12 Hollitscher, Walter: Die Natur im Weltbild der Wissenschaft. Bearbeitete dritte Auflage. Wien 1965. [Kurzbezeichnung: NaW], S. 91.
13 NaW, S. 91.
14 Vgl. NaW, S. 92f. Siehe auch: Lenin, Wladimir Iljitsch: Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus. In: Lenin – Werke. Band 19. Berlin 1977, S. 3-9, hier S. 4.
15 NaW, S. 93.
16 NaW, S. 97.
17 NaW, S. 97.
18 NaW, S. 97.
19 NaW, S. 97.
20 Vgl. Holz, Hans Heinz: Mensch – Natur. Helmuth Plessner und das Konzept einer dialektischen Anthropologie. Bielefeld 2003, S. 77.
21 Holz, Hans Heinz: Dialektik und Widerspiegelung. Köln 1983, S. 33. Holz: Dialektik und Widerspiegelung, S. 33.
22 NaW, S. 94.
23 NaW, S. 94. Hervorhebung im Original.
24 MEW 20, S. 285.
25 MEW 20, S. 285.
26 Hollitscher, Walter: Philosophie und Naturwissenschaften. In: Ders.: Tierisches und
27 Hollitscher, Walter: Vorlesungen zur Dialektik der Natur. Erstveröffentlichung der 1949/50 an der Humboldt-Universität gehaltenen Vorlesungsreihe. Marburg 1991 [Kurzbezeichnung: VDN], S. 22f.
28 NaW, S. 98.
29 MEW 20, S. 25f.; NaW, S. 98.
30 NaW, S. 98.
31 NaW, S. 98.
32 NaW, S. 98.
33 Über die damit verbundenen theoretischen Probleme siehe neulich: Schweiger, Gottfried: Begriff der dialektischen Naturphilosophie. In: Topos. Internationale Beiträge zur dialektischen Theorie, Heft 33/2010 („Naturdialektik“), S. 11-43 bzw. in der Online-Fassung: http://toposzeitschrift.de/schweiger.htm (zuletzt abgerufen am 29.9.2012). Siehe hier auch die Druckfassung der Dissertation desselben: Schweiger, Gottfried: Dialektische Naturphilosophie. Geschichte – Probleme – Perspektiven. Frankfurt/Main u.a. 2011, hier insbes. das III. Kapitel („Naturphilosophie zwischen Ontologie und Naturwissenschaften“), S. 177ff.
34 MEW 20, S. 320.
35 MEW 20, S. 320.
36 NaW, S. 98.
37 NaW, S. 98.
38 NaW, S. 98f.
39 NaW, S. 99.
40 NaW, S. 99.
41 NaW, S. 99. Hervorhebung im Original.
42 NaW, S. 99.
43 NaW, S. 99.
44 NaW, S. 99.
45 VDN, S. 79.
46 Habermas, Jürgen: Theorie und Praxis. Neuwied 1963, S. 270.
47 Hollitscher, Walter: Vom Nutzen der Philosophie für die Einzelwissenschaften. In: TM, S. 251-276, hier S. 248.
48 Vgl. TM, S. 248.
49 Vgl. NaW, S. 97.
50 Lenin, Wladimir Iljitsch: Konspekt zu Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. In: Lenin – Werke. Bd. 38. Berlin 1981, S. 285 bzw. Ders.: Zur Frage der Dialektik. In: Lenin – Werke. Band 38. Berlin 1981, S. 240; vgl. auch NaW, S. 96.
51 NaW, S. 96. Hervorhebung im Original.
52 Engels, Friedrich: Dialektik der Natur. In: Karl Marx/Friedrich Engels – Werke. Band 20. Berlin (O) 1962, S. 305-570 [Kurzbezeichnung: MEW 20], hier S. 481.
53 NaW, S. 100.
54 VDN, S. 317.
55 Hollitscher, Walter: Aneignung der Natur und Natur der Aneignung. In: TM, S. 244- 250, hier S. 250.
56 Holz, Hans Heinz: Weltentwurf und Reflexion. Versuch einer Grundlegung der Dialektik. Stuttgart-Weimar 2005, S. 541. Hervorhebung im Original.
57 TM, S. 250.
58 Holz: Weltentwurf, S. 575.
59 TM, S. 246f.
60 Hollitscher, Walter: Grundbegriffe der marxistischen politischen Ökonomie und Philosophie. 3. ergänzte Auflage. Wien 1975, S. 67.
61 Ebd.
62 LW 38, S. 343. Hervorhebung im Original.
63 Dies wird etwa von Laitko indirekt angedeutet, wenn er davon spricht, dass Hollitschers realistisch-materialistischen Erkenntnisposition das „dialektische Pendant“ fehle (Laitko: Walter Hollitschers Konzept, S. 82). Wenngleich viele Formulierungen Hollitschers verkürzt und reduktionistisch erscheinen (siehe Anm. 85), läuft seine Gesamtkonzeption doch niemals auf eine reine Abbildfunktion der menschlichen kognitiven Fähigkeiten und Tätigkeiten hinaus.
64 VDN, S. 43.
65 Laitko: Walter Hollitschers Konzept, S. 87.
66 Ebd.
67 Vgl. VDN, S. 325.
68 VDN, S. 13.
69 NaW, S. 102f.
70 VDN, S. 13.
71 VDN, S. 13.
72 Vgl. VDN, S. 362.
73 Laitko: Walter Hollitschers Konzept, S. 80.
74 VDN, S. 13.
75 VDN, S. 13.
76 VDN, S. 13.
77 Vgl. Jansen, Ludger: Vernünftiger Rede fähig. Das Menschenbild des Aristoteles. In: Ders./Jedan, Christoph (Hg.): Philosophische Anthropologie in der Antike. Heusenstamm 2010, S. 157-185, hier S. 175ff.
78 Laitko: Walter Hollitschers Konzept, S. 81.
79 VDN, S. 13.
80 VDN, S. 16.
81 VDN, S. 16.
82 VDN, S. 16.
83 VDN, S. 16.
84 Vgl. VDN, S. 20. Den Aufbau seiner Naturphilosophie-Vorlesungen erklärt Hollitscher hier wiefolgt: „Die natürliche Systematik – zum Unterschied von jeder künstlichen – einer Einführungsvorlesung über Naturphilosophie scheint es mir zu gebieten, der Reihe nach über die Grundmethoden und Grundergebnisse unserer Erforschung der durchlaufenden Entwicklungsvorgänge im Universum zu berichten und vor ihrem Hintergrund die naturphilosophische Problematik darzulegen. Also: nach einführenden Betrachtungen über die Begriffsbildung und die Gesetzesforschung in den modernen Naturwissenschaft, die zur Analyse der Raum-Zeit-Probleme und der Kausalitätsfrage Anlaß geben werden, zur naturphilosophischen Diskussion der Kosmologie, der Biologie, der Psychophysiologie und der Probleme der Menschwerdung überzugehen.“
85 VDN, S. 200.
86 VDN, S. 200.
87 Vgl. VDN, S. 23.
88 Holz: Mensch – Natur, S. 141. Hervorhebung im Original.
89 Weder wird Plessner in den Berliner Vorlesungen erwähnt, noch geht Hollitscher in den beiden Hauptwerken Der Mensch im Weltbild der Wissenschaft und Die Natur im Weltbild der Wissenschaft auf ihn ein. Da Plessners Hauptwerk Die Stufen des Organischen und der Mensch bereits im Jahre 1928 erschienen ist, hätte Hollitscher dieses Werk durchaus kennen können.
90 Plessner, Helmuth: Krisis der transzendentalen Wahrheit im Anfang. In: Gesammelte Werke, Bd. I. Frankfurt/Main 1980, S. 143-310, hier S. 164.
91 Heidegger, Martin: Was ist Metaphysik? Nachwort zur 5. Auflage, Frankfurt/Main 1949, S. 42.
92 Holz: Mensch – Natur, S. 168f.
93 Hartmann, Nicolai: Zur Grundlegung der Ontologie. Meisenheim/Glan 1948, S. 29ff.
94 Holz: Dialektik und Widerspieglung, S. 92. Hervorhebung im Original.
95 Die Frage von Anthropologie und/oder Geschichtsphilosophie (die hier dezidiert kultur- bzw. sozialanthropologische Fragen mit einschließt) steht etwa in Zentrum der Auseinandersetzung von Odo Marquard. Marquard sieht die Anthropologie in einer unauflöslichen Aporie von Naturphilosophie auf der einen und Geschichtsphilosophie auf der anderen Seite verhaftet (vgl. Marquard, Odo: Anthropologie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. von Joachim Ritter. Basel 1971, S. 362-374). Ein Außer-Acht-Lassen der Geschichtsphilosophie würde seiner Ansicht nach notgedrungen zu einer rein naturalistischen Wende innerhalb der philosophischen Anthropologie führen. Michael Landmann nimmt diese Frage auf, löst sie jedoch dadurch, dass er die Anthropologie erneut als „Fundament aller Humanwissenschaft“ entwirft (vgl. Landmann, Michael: Fundamentalanthropologie. Bonn 1984).
96 Hollitscher, Walter: Streit um das Menschenbild des Marxismus. (= Schriftenreihe der Vereinigung demokratischer Studenten). Wien 1962, S. 15.
97 Vgl. Hollitscher, Walter: Widerspiegelungsprobleme. In: TM, S. 277-294, hier S. 288ff. Natürlich, so müsste eingewendet werden, sind die physiologischen Voraussetzungen unerlässlich für die Widerspiegelungsleistung – diese auf eine reine Reaktion des organischen Apparates des Menschen zu reduzieren, würde aber das Problem verfehlen, kann doch in einer solchen Sicht niemals der spekulative Aspekt des Reflexionsverhältnisses eingeholt werden. Die „Einverleibung“ der Einwirkungen ist die notwendige Basis der menschlichen Aktivität, erschließt sich jedoch nicht darin.
98 Hier ist durchaus Rhemann zuzustimmen, wenn dieser bemerkt, Hollitscher sei es darum gegangen, den Versuch „einer philosophisch dimensionierten, universalgeschichtlich begriffenen Allgemeinwissenschaft im Anschluss an eine produktive Verknüpfung zwischen Logischem Empirismus und einer im Feld der zeitgenössischen Wissenschaftsentwicklung weiter geführten Marx’schen Theorie auf der Methodengrundlage einer historisch-genetisch übergreifend verstandenen, materialistischen Dialektik“ zu unternehmen (Rhemann: Walter Hollitscher, S. 1014).
99 Hollitscher, Walter: Die Begriffe der psychischen Gesundheit und Erkrankung. Eine wissenschafts-logische Untersuchung. Wien 1947, S. 5.
100 Hollitscher, Walter: Vom Nutzen der Philosophie und ihrer Geschichte. Wien o. J. [1947], S. 10.
101 Grundbegriffe, S. 41.
102 Grundbegriffe, S. 41.